Samidoun
Samidoun wurde 2012 von Mitgliedern der „Volksfront zur Befreiung Palästinas” (PFLP) gegründet und ist mittlerweile in insgesamt mehr als zehn Ländern aktiv, darunter auch Deutschland. Offizielles Anliegen der Organisation sind die Rechte bzw. ist die Freilassung von palästinensischen Gefangenen in Israel. In der Praxis dient sie als Vorfeldorganisation der PFLP im Ausland. Samidoun kommt eine zentrale Rolle in der israelfeindlichen-Propaganda der PFLP zuteil, z.B. im Kontext der Mittelbeschaffung oder der Rekrutierung von Aktivist:innen. [1]
Die Propaganda der in Europa als Terrororganisation eingestuften PFLP basiert auf arabischem Nationalismus sowie dem Marxismus-Leninismus. Nach außen hin mitunter vorgeblich von Humanität geleitet, verbreitet sie ihre von Antizionismus geprägte Ideologie, was sie in unterschiedlichen politischen Lagern anschlussfähig macht, insbesondere auch in der Linken. Zentrales Ziel der 1967 gegründeten Organisation ist die Beseitigung Israels als jüdischen Staat. Dieses wird unter anderem durch Anschläge, Attentate und Raketenangriffe versucht zu erreichen, wie z.B. im August 2019 im Westjordanland, als im Zuge eines Anschlags eine 17-jährige Israelin getötet wurde. In der Vergangenheit kam es zu Formen der Zusammenarbeit mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas. Nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes leben in Deutschland derzeit ca. 100 Anhänger:innen der PFLP. [2]
Als Ableger der PFLP wurde auch Samidoun selbst im Februar 2021 von der israelischen Regierung als terroristische Organisation eingestuft. Zentraler Kopf von Samidoun ist Khaled Barakat, ebenfalls Unterstützer und wohl auch Mitglied des Zentralkomitees der PFLP. In seinen Reden propagiert Barakat mitunter den gewaltsamen Kampf gegen Israel. [3]
Samidoun versucht durch sein Auftreten Anschluss an andere antiimperialistische Linke zu bekommen, nicht ohne Erfolg. Im Januar 2022 war die Organisation bei der jährlich in Berlin stattfindenden Demonstration zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg präsent vertreten. [4]. Auf Transparenten wurde damals „Freiheit für alle palästinensischen Gefangenen” gefordert, unter anderem für Ahmad Sa’adat. Sa’adat ist Generalsekretär der PFLP und wurde 2008 nicht zuletzt wegen der Federführung des tödlichen Anschlags auf den israelischen Tourismusminister Rechaw’am Ze’ewi zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Auch bei Demonstrationen der linken antizionistischen Gruppe „Palästina Spricht” (z.B. am 23.04.2022) oder der „Revolutionären 1. Mai Demonstration” war die Gruppe mit Fahnen präsent. Am 01.05.2022 wurde aus der Gruppe heraus ein Transparent gehalten, dass die Freilassung von Georges Abdallah A. forderte. Dieser war Mitglied der PFLP, galt als Anführer der Libanesischen Revolutionären bewaffneten Fraktion (frz. FARL) und wurde im Jahr 1987 unter anderem wegen Beihilfe zum Mord an einem israelischen Diplomaten zu lebenslanger Haft verurteilt.
Das Anliegen von Samidoun, sich für palästinensische Gefangene einzusetzen, geht demzufolge mit der Solidarisierung mit und der Glorifizierung von Terrorist:innen einher. Angesichts dessen ist es umso bemerkenswerter und zeitgleich problematischer, dass sich Samidoun an eine jüngere Zielgruppe zu richten scheint. Diesen Eindruck verstärkt die sehr aktive Nutzung diverser Sozialer Medien, insbesondere der Plattform Instagram. In Postings fordert die Organisation auch dort bspw. Freiheit für inhaftierte palästinensische Terroristen, setzt Israel mit einem Kolonial- bzw. Apartheidsstaat gleich oder propagiert antisemitische Slogans wie „From the river to the sea” (Dt.: „Vom Fluss bis zum Meer”), die nichts anderes als das Existenzrecht Israels negieren. Sprechchöre wie jener waren auch bei den o.g. Demonstrationen zu vernehmen.
Dieser Slogan wird häufig dahingehend zu legitimieren versucht, dass er eben nicht auf die Vernichtung Israels ziele, sondern einfach pauschal alle Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer frei von Unterdrückung leben sollen. Zuletzt hatte auch die Gruppe Palästina Spricht den Spruch so erklärt.
Demgegenüber stehen aber immer wieder Formulierungen wie die Folgende von Samidoun: In dem Aufruf der Gruppe für eine Demonstration anlässlich des Nakba-Tags am 15.05.2022 rief die Gruppe auf Facebook zur Teilnahme auf, „um den Entschluss des palästinensischen Volkes auf die Gesamtheit seines nationalen Heimatlandes vom Fluss bis zum Meer und auf alle seine legitimen, unverzichtbaren Rechte zu bekräftigen... bis zur Befreiung und Rückkehr.”
Die Formulierung vom Fluss bis ans Meer wird hier gleichgesetzt mit der Gesamtheit des nationalen Heimatlandes des palästinensischen Volkes bis zur Rückkehr. Wenn also das gesamte Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer als ursprünglich palästinensisch deklariert wird, es zu befreien sei und eine Rückkehr das letzte Ziel sei, dann ist unmissverständlich klar, was sich zumindest hinter vielen vermeintlich harmlosen Rufen nach Freiheit für alle Menschen verbirgt: Die Abschaffung des Staates Israels inklusive seiner Bewohner:innen. Denn eine Rückkehr in israelisches Staatsgebiet wäre kaum realisierbar ohne die jetzigen dort lebenden nicht-palästinensischen Menschen, also Jüdinnen:Juden, zu vertreiben.
[1] vgl. https://www.mena-watch.com/israel-erklaert-samidoun-zur-terrororganisation/
[2] vgl. https://libmod.de/till-schmidt-warum-ein-verbot-der-antizionistischen-pflp-gefordert-wird
[3] vgl. https://www.mena-watch.com/berlin-die-pflp-vorfeldorganisation-samidoun-marschiert-gegen-israel
[4] https://twitter.com/FriedensWatch/status/1480162872709767172