In einem schwarzen Ledermantel, der in Kombination mit einer roten Armbinde deutlich an eine SS-Uniform erinnert, feuert Roger Waters in Berlin mit einer Gewehrattrappe auf sein Publikum. Dies ist wenig überraschend, da der Musiker seit Jahren durch antisemitische Äußerungen, provokante Bühnenshows und Boykottaufrufe auffällt. Durch seine Verschwörungserzählungen und israelfeindliche Haltung haben seine Konzerte eine hohe Anziehungskraft auf Verschwörungsideolog:innen und BDS-Anhänger:innen.
Waters war jahrelang Frontmann und Mitbegründer einer der bekanntesten Bands weltweit – Pink Floyd. Nach seinem Ausstieg aus der Band 1985 startete der mittlerweile 79-jährige Musiker eine Solokarriere.
Bereits zu Zeiten von Pink Floyd gehörte ein aufblasbares Schwein zur Bühnenshow der Band. Jedoch begann Waters damit, einen Davidstern auf das Schwein zu projizieren, was bereits 2013 für Empörung sorgte. Kritiker:innen, wie Michael Szentei-Heise, der damalige Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, betrachteten dies als eindeutige antisemitische Rhetorik, die klare NS-Symbolik verwendet.
Waters beteuerte wiederholt, er sei kein Antisemit und rechtfertigte sich damit, dass der Davidstern seiner Ansicht nach für Israel und nicht das Judentum stehe.
Waters ignoriert, dass der Davidstern ein religiöses Symbol für alle Jüdinnen:Juden darstellt, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort. Darüber hinaus hat die Verwendung eines Schweins für die Darstellung Israels auch ohne die Verwendung von jüdischen Symbolen einen antisemitischen Charakter, da mittels Umwegskommunikation antisemitische Zuschreibungen regelmäßig auf Israel übertragen werden.
Abseits der Bühne ist der Musiker seit Jahren aktiver Unterstützer der BDS-Kampagne, die einen allumfassenden Boykott Israels fordert und seit 2019 vom Deutschen Bundestag als antisemitisch eingestuft wird. Zu seinem diesjährigen Auftaktkonzert in Hamburg konnte die BDS-nahe Organisation Palästina Spricht Bremen, auf seiner Veranstaltung mit einem Infotisch für den Boykott werben. Bereits in der Vergangenheit verglich Waters sein Engagement für die BDS-Kampagne, mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus von Hans und Sophie Scholl, Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose, die 1943 für ihren Widerstand durch ein Fallbeil getötet worden waren.
Das erwähnte aufblasbare Schwein war auch Teil der Bühneninszenierungen der diesjährigen Europatour des Sängers. Diesmal jedoch ohne Davidstern, stattdessen mit dem Logo des israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems. Des Weiteren prägten die Konzerte des Multimillionärs, neben der fast ironisch wirkenden Kapitalismuskritik – bedenkt man, dass eine Konzertkarte mindestens 100 € kostet – auch NS-verharmlosende Elemente.
Während die Namen von Anne Frank, Sophie Scholl, George Flyod und der Al Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh in Riesenbuchstaben auf eine Leinwand projiziert wurden, hingen rote Banner mit Waters berühmten Hammer-Logo von der Decke. Durch die Entkontextualisierung der unterschiedlichen Opfer wird eine unzulässige Analogie zwischen Opfern des Nationalsozialismus und vermeintlichen Opfern Israels gezogen.
Schon 2020 behauptete Waters in einem Interview mit der palästinensischen Nachrichtenagentur Shehab News Agency, die der islamistischen Hamas nahesteht, dass die Praktik des Luftabdrückens durch das Knien auf den Betroffenen, durch das auch George Floyd getötet wurde, eine Tötungsmethode für Palästinenser:innen sei und von der Israelischen Armee stamme. Die USA ließen regelmäßig Expert:innen aus Israel einfliegen, um Polizist:innen diese Tötungsmethode für die schwarze Bevölkerung beizubringen.
Aufgrund der vergangenen antisemitischen Skandale um Waters, gab es in Frankfurt am Main und München bereits im Vorfeld rechtliche Versuche, seine Auftritte zu verhindern. Diese scheiterten, nachdem Waters eine Gegenklage eingereicht hatte, in der er sich auf die Kunstfreiheit bezog. Die Gerichte wiesen die Vorwürfe der NS-Verherrlichung sowie der Nutzung von Propagandamaterialien auf Waters’ Konzerten zurück. Die Pressesprecherin des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main gab bekannt, dass Waters’ Bühnenshows zwar als geschmacklos empfunden werden können, es jedoch nicht die Aufgabe des Gerichts sei, darüber zu urteilen.
Aufgrund der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, dem Musiker das Auftreten in Deutschland zu erlauben, riefen Stimmen aus Politik, Gesellschaft und insbesondere der jüdischen Gemeinde zu Protesten auf. Unter dem Motto „Keine Bühne für Antisemitismus“ fand am 8. Mai eine Kundgebung vor dem Kölner Dom statt. Als Reaktion auf die Proteste in Köln äußerte sich Waters öffentlich mit weiteren antisemitischen Verschwörungserzählungen und beschuldigte die deutsche Regierung, ihn aufgrund seiner anti-israelischen Haltung und prorussischen Äußerungen zu zensieren.
Neben Köln fanden auch in anderen Städten wie Berlin, München und Frankfurt am Main Proteste gegen Waters' Konzerte statt. In München wurde er am 21. Mai 2023 auf dem Weg zur Olympiahalle mit israelischen und ukrainischen Flaggen begrüßt. Zusammen mit dem Bündnis München ist bunt! und rund 70 weiteren Demonstrant:innen, protestierte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, gegen die bevorstehende Veranstaltung. Sie kritisierte, dass Antisemitismus einen Platz in Deutschland habe, da ansonsten Waters' Konzerte abgesagt werden müssten. Während der Kundgebung bezog sich Knobloch auf Waters’ vergangenen Aussagen über Israel und betonte: „Judenhass ist keine Meinung, Hass auf Israel ist keine Meinung.“
In Frankfurt am Main kam es beim Abschlusskonzert nicht nur vor, sondern auch in der Festhalle zu Protesten. Angesichts der antisemitischen Konzertelemente seiner vergangenen Shows brachte das Konzert in der Frankfurter Festhalle eine besondere Brisanz mit sich. An diesem Ort wurden nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 etwa 3.000 jüdische Männer vor ihrer Deportation festgehalten und misshandelt.
Während des Auftritts entfalteten jüdische und nichtjüdische Aktivist:innen israelische Flaggen und riefen „Am Israel Chai“ (Das Volk Israel lebt). Unter ihnen befand sich auch der Sprecher des Frankfurter Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (JuFo DIG). Er schaffte es sogar mit seiner Flagge auf die Bühne, wo er jedoch von Waters' privatem Sicherheitsdienst unsanft entfernt wurde. Waters beklagte sich nach dem Vorfall über das „schockierenden Verhalten“ auf der Bühne, während der private Sicherheitsdienst des Musikers Gewaltandrohungen gegenüber dem JuFo-Sprecher aussprach. Angesichts des inakzeptablen Vorgehens sowie der Gewaltbereitschaft stellte der Betroffene Anzeige.
Auch Waters’ vorangegangener Auftritt in der Mercedes Benz Arena in Berlin blieb nicht ohne rechtliche Folgen. Aufgrund seines Auftritts, in einem schwarzen Ledermantel mit roter Armbinde, ermittelt die Berliner Polizei wegen möglicher Volksverhetzung gegen den Musiker. Ein Pressesprecher der Polizei Berlin erklärte, dass deutliche Ähnlichkeiten zwischen Waters’ Bühnenbekleidung und einer SS-Uniform erkennbar seien. Die Kleidung könne dazu dienen, die Opfer des Nationalsozialismus zu verletzen, den Nationalismus zu verherrlichen und den öffentlichen Frieden damit zu stören.
Festzuhalten bleibt: Roger Waters’ Auftritte haben die im Vorfeld geäußerten Befürchtungen bestätigt. Seine politischen Ansichten sind fester Bestandteil seiner Bühnenperformance und erreichen damit viele Menschen. Während Waters' Feindbild der übermächtigen Elite, auf seinen Konzerten namenlos blieb, scheut der Musiker erwartungsgemäß nicht davor zurück, Vergleiche zwischen Israel und dem Nationalsozialismus zuziehen.
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