An der Leipziger Buchmesse haben sich in diesem Jahr auch mehrere antidemokratische und rechtsextreme Organe beteiligt. In unmittelbarer Nachbarschaft zueinander hatten die Zeitschrift „Compact“, der Verlag „Antaios“ sowie „Europa Terra Nostra“ und die NPD-Zeitschrift „Deutsche Stimme“ ihre Messestände aufgebaut. Auf diese Weise wurden Teile der Buchmesse zur rechten Diskurs- und Vernetzungsplattform. Am Wochenende führten Compact und Antaios zudem mehrere Veranstaltungen durch. Dabei kam es zu Protesten, Pöbeleien und Handgreiflichkeiten.
Am Samstagnachmittag protestierten rund 100 Menschen mit einer kurzen Performance gegen die Präsenz rechter Verlage. Sie hoben den antidemokratischen Charakter der Aussteller hervor und kritisierten, dass die extreme Rechte stets auf die Meinungsfreiheit insistiere, im Grunde aber mit ihrer politischen Agenda diese und weitere Freiheiten abschaffen wolle. Bereits im Vorfeld hatten sich dutzende Verlage unter dem Motto #verlagegegenrechts gegen die Präsenz rechtsextremer Verlage auf der Buchmesse positioniert.
Auch rund um die Lesungen äußerten Protestler vereinzelt ihren Unmut. Dabei wurden sie von rechten Messebesuchern, darunter neben organisierten Neonazis auch viele Kader und Mitglieder der „Identitären Bewegung“, beleidigt und bedrängt. Die Identitären, die sich selbst gerne mit dem Label der „intellektuellen Rechten“ versehen, taten sich dabei vor allem mit sexistischen Pöbeleien und handgreiflichen Aktionen hervor. Einige Männer hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Political Correctness und Kultur-Marxismus abschalten!“ in die Höhe.
Auf der Bühne der Leseinsel in Halle 3 standen am Samstag auf Einladung des Antaios-Verlegers Götz Kubitschek die Autoren Martin „Lichtmesz“ Semlitsch, Benedikt Kaiser und Caroline Sommerfeld, die alle regelmäßig für den Antaios Verlag und die hauseigene Zeitschrift Sezession schreiben. Für die Compact unterhielt sich dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer mit dem mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilten Bestsellerautor Akif Pirinçci. An dem gemeinsamen Messestand von Europa Terra Nostra und Deutsche Stimme hatte sich derweil der NPD-Europaparlamentarier und ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt für eine „Signierstunde“ eingefunden. Sein Besuch erregte aber nur wenig Aufmerksamkeit. Es schien, als hätte die Neue Rechte der alten Rechten längst den Rang abgelaufen.
Am Sonntag beteiligte sich mit „Franziska“ auch eine Aktivistin der identitären „120 Dezibel“-Kampagne an einem Podiumsgespräch des Antaios Verlages. Sie gab „falsch“ gekleideten Frauen eine Mitschuld an sexuellen Übergriffen und verteidigte vergewaltigende Männer mit Verweis auf die „Natur“ – schließlich seien Menschen „sexuelle Wesen“. Kurz darauf unterhielten sich Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer auf der Bühne über die „Perspektive alternativer Medien in Deutschland“. Elsässer sagte dabei: „Aufgabe der oppositionellen Medien ist, zum Sturz des Regimes beizutragen – und da gehen wir Schulter an Schulter.“
Eine solche Aussage ist zwar keine große Überraschung. Dennoch ist es keineswegs selbstverständlich, dass Rechte derart unverhohlen ihre antidemokratische Gesinnung zur Schau stellen. Das zeigt aber auch: Rechte Akteure glauben längst nicht mehr, dass sie sich mit ihren Ansichten verstecken müssen. In Leipzig demonstrierte die extreme Rechte vor allem ihr neues Selbstbewusstsein.
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