Die diesjährige Internationalist Queer Pride Berlin (IQPB) startet am Samstag, den 22. Juli, ab 17 Uhr auf dem Hermannplatz. Von dort soll es einen Aufzug bis zum Oranienplatz geben. Doch zum Teil unterstützenswerte Anliegen wurden in den letzten Jahren durch Pressefeindlichkeit und antisemitische Parolen seitens Teilnehmer:innen, Ordner:innen und Organisator:innen der Veranstaltung überschattet.
Seit 2021 findet die IQPB am selben Tag wie der Christopher Street Day (CSD) statt, der an die historischen Stonewall Riots erinnert, den ersten großen Aufstand der LGBT-Community gegen Übergriffe der Polizei in New York City am 27. Juni 1969. Der erste Berliner CSD fand zehn Jahre später, im Jahr 1979, unter dem Motto „Gay Pride“ statt. Damals zogen 450 Demonstrant:innen durch die Straßen von West-Berlin.
Von einigen wird das Event mittlerweile wegen zunehmender Kommerzialität kritisiert. Dazu gehören auch die Organisator:innen der IQPB. Sie erklären, dass sie denjenigen eine Plattform geben wollen, die sich weder vom kommerziellen CSD noch von den „weiß-zentrierten Aktivistennetzwerken“ („white-centric activist networks“) vertreten fühlen.
Mobilisiert wird für die die IQBP in diesem Jahr von zahlreichen linken Einzelpersonen und Gruppen, darunter: Berlin Against Pinkwashing, FACQ Berlin, Palästina Spricht, Group Seiba, QUARC Berlin, Bloque Latinoamericano, Berlin Migrant Strikers, Jewish Bund, Kali Feminists und Migrantifa Berlin.
Israel im Fokus
Die Organisator:innen beziehen im Rahmen der Mobilisierung Stellung gegen Kolonialismus, Rassismus und Kapitalismus. Gleichzeitig hinterfragen sie das Existenzrecht Israels und bezeichnen das Land als Apartheidstaat, den es zu boykottieren gelte. In einem aktuellen Posting auf der Instagram-Seite der IQPB, in dem der Palestinian Bloc vorgestellt wird, wird Israel darüber hinaus in Anführungszeichen gesetzt. Dadurch entsteht der Eindruck, als würde man sich von der Existenz Israels distanzieren und den israelischen Staat delegitimieren.
Angesichts der letzten beiden Jahre überraschen antisemitische Ressentiments dieser Art nicht: So behauptete 2022 ein:e Redner:in, Israel instrumentalisiere den „queeren Befreiungskrampf“ von Palästinenser:innen, „um die Verbrechen gegen [deren] Existenz als palästinensiches Volk mit Pinkwashing-Strategien zu legitimieren.“ Der Vorwurf des „Pinkwashings“ wird in Zusammenhängen wie diesem immer wieder geäußert und die Herleitung ist antisemitisch motiviert: Demzufolge sei Israels LGBT-Politik keineswegs progressiv, sondern solle die Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Gebieten verdecken (siehe auch im.feld#2: Feindbild Israel).
Angesichts solcher verbalen Angriffe und Vorwürfe kann der Eindruck entstehen, als konzentrierten sich Teile der Orgastruktur auf die Dämonisierung Israels. Es scheint damit verbunden, als würde man bei der politischen Beurteilung mit zweierlei Maß messen und doppelte Standards anwenden.
Queer as in free Palestine?
In den von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verwalteten Gebieten im Westjordanland ist Homosexualität gesetzlich nicht ausdrücklich kriminalisiert. Dennoch sind viele Menschen aus der LGBT-Community gesellschaftlichem Druck, Ausgrenzung und sogar körperlicher Belästigung ausgesetzt, wenn sie etwa ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit offenbaren. Im Gaza-Streifen, der von der Hamas regiert wird, ist die Situation noch restriktiver. Die Hamas, eine islamistische und militärische Terrororganisation, lehnt Homosexualität strikt ab: Gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr ist nach dem Rechtssystem des Gazastreifens strafbar. LGBT-Personen im Gazastreifen sind einem schweren gesellschaftlichen Stigma ausgesetzt und können verhaftet und misshandelt werden. Das IQPB-Bündnis scheint diese Probleme nicht anzuerkennen, denn ihre Vorwürfe und Kritik richten sich oft ausschließlich gegen Israel, obwohl es einer der wenigen Orte im Nahen Osten ist, an dem die Rechte der LGBT-Community geschützt sind.
Kein neue Entwicklung
Die IQPB steht exemplarisch für eine Tendenz in linken Bündnissen, in denen israelfeindliche Haltungen und Antisemitismus zunehmend Akzeptanz finden. Und sie steht auch stellvertretend für eine Tendenz innerhalb der politischen Linken, verschiedene Teilbereichskämpfe mit einem einseitigen Blick auf den Nahostkonflikt zu verknüpfen. Das IQPB-Bündnis wendet sich zwar öffentlich gegen Rassismus und Gewalt, von Antisemitismus ist allerdings ausdrücklich nicht die Rede. Bei vergangenen Veranstaltungen kam es zu Vorfällen, bei denen etwa ein:e Fotograf:in körperlich angegangen wurde. Zudem verfolgten Ordner:innen des Aufzugs Pressevertreter:innen und hetzten gegen sie. Während und nach der Demonstration im Jahr 2021 wurden Journalist:innen als „zionistische Presse“ bezeichnet.
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