Berlin, Cottbus, Magdeburg. Seit Wochen und Monaten wird in zahlreichen Städten demonstriert. Fast immer vorne mit dabei: die AfD. Machte man zu Beginn des Jahres vor allem mit inneren Grabenkämpfen und Spendenskandalen von sich reden, befindet sich die Partei gerade im Aufwind und inszeniert sich als Zugpferd der derzeitigen Protestbewegung. Umfragen wie in Brandenburg, wo sich die Partei mittlerweile auf dem ersten Platz wiederfindet bzw. Ergebnisse, wie bei der Landtagswahl in Niedersachsen, weisen darauf hin, dass die AfD es derzeit schafft, aus der krisenbedingten Unsicherheit in weiten Teilen der Bevölkerung zu profitieren.
Das gelingt der Partei, weil sie auf Themen zurückgreifen kann, die vor allem in den ersten Jahren nach Gründung der Partei prägend waren: Hetze gegen Geflüchtete und die „Altparteien“, Antiamerikanismus oder Euro-Ausstieg. Während die AfD im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die meiste Zeit weitestgehend farblos blieb, versucht sie sich nun ein klares Profil zu geben.
Damit verbunden werden vormals zumindest nach außen hin betonte Kontaktbeschlüsse nur noch zaghaft verfolgt: Mit rechtsextremen Parteien wie den Freien Sachsen wird gemeinsam demonstriert, Parteifunktionäre beschäftigen verurteilte Neonazis und die zunehmend einflussreiche Parteijugend, die Junge Alternative (JA), setzt sich mittlerweile zu einem wesentlichen Teil aus Akteuren der „Identitären Bewegung“ (IB) zusammen.
Junge Alternative – IB 2.0?
Als „Jugend, die vorangeht“ versucht sich der Parteinachwuchs seit geraumer Zeit intern in Stellung zu bringen. Offenkundig wurde das am 08. Oktober, als man versuchte, sich an der Spitze der Großdemonstration zu platzieren – mit Parolen, die man von der „Identitären Bewegung“ kennt. Der Vorstoß wurde umgehend durch Mitglieder des Parteivorstandes unterbunden und die rund 150 JA-Mitglieder in die zweite Reihe befohlen.
Dennoch ist zu betonen: Die Rolle der JA ist wesentlich und sie wächst. Von zentraler Bedeutung ist dabei die JA Brandenburg. Zwei Mitglieder dieses Landesverbandes, Hannes Gnauck und Anna Leisten, waren nicht nur am 08. Oktober tonangebend. Gnauck ist seit letztem Jahr Mitglied des Deutschen Bundestages und seit diesem Wochenende Bundesvorsitzender der JA. Leisten wiederum wurde zur Beisitzerin im Bundesvorstand gewählt und zeigte sich bei der Großdemonstration für Ansagen am Megafon verantwortlich.
Was Gnauck und Leisten zudem eint, sind enge Kontakte zum Verein „Filmkunstkollektiv“. Dieser besteht aus Personen, die mitunter auf eine einschlägige Vergangenheit bei der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ oder dem Kampagnennetzwerk „Ein Prozent für unser Land“ zurückblicken. Leisten begleitete die Aktivisten schon des Öfteren bei Drehterminen, wie etwa im Juli bei den Bauernprotesten in den Niederlanden. Gnauck wiederum spendete ihnen im Anschluss an die Erhöhung der Diäten von Bundestagsabgeordneten mehrere Hundert Euro mit dem Hinweis: „Aktivisten brauchen Unterstützung aus dem Parlament!“
Naheliegend, dass die JA auch am 08. Oktober durch das „Filmkunstkollektiv„ mit Kameras begleitet und in Szene gesetzt wurde. Die filmische Inszenierung von Protestaktionen weckt Erinnerungen an die Anfangszeit der „Identitären Bewegung“. Der rechtsextremen Vereinigung gelang es auf diesem Wege, einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden. Das „Filmkunstkollektiv“ versuchte in den letzten Jahren mehrmals mit Projekten einen Fuß in die Tür des verschwörungsideologischen Protest zu bekommen – in der Regel mit überschaubarem Erfolg. Mittlerweile erfahren sie Unterstützung von prominenten Parteimitgliedern wie Björn Höcke. Die Rolle der extrem rechten Aktivisten in Bezug auf die AfD ist nicht zu unterschätzen.
Verbindungen wie die genannten sind kein Zufall. Anna Leisten etwa posierte vor kurzem mit einem T-Shirt der Neonazimarke „Phalanx Europa“ auf dem Sommerfest des Instituts für Staatspolitik von Götz Kubitschek. Kubitschek und sein rechtsextremer Verlag Antaios wiederum waren am Wochenende beim JA-Bundeskongress in Apolda zugegen. Gleiches gilt für das „Filmkunstkollektiv“, das rechtsextreme Compact Magazin, „Ein Prozent für unser Land“ oder das rechte Öko-Magazin „Die Kehre“, die an Ständen ihre Arbeit vorstellten.
Dass die AfD-Parteijugend enge Verbindungen zu rechtsextremen Akteuren pflegt, ist bekannt. Die JA selbst wird durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Es zeigt sich dennoch, dass mittlerweile jegliche, zumindest vorgeschobenen Distanzierungsversuche, in den Hintergrund gerückt sind. Sorgte etwa die Wahl von Marvin T. Neumann zum JA-Bundesvorsitzenden, u.a. aufgrund rassistischer Tweets, letztes Jahr noch zu einer öffentlichen und insbesondere auch parteiinternen Debatte, ist dies bei der Wahl des durch den MAD als Extremisten eingestuften Gnauck bisher noch nicht der Fall.
Insbesondere der Landesverband Brandenburg nimmt eine zentrale Rolle ein, auch hinsichtlich des derzeitigen Protestgeschehens. Die aktuelle Strategie der AfD lässt sich nicht allein durch die Betrachtung ihrer Aktivitäten auf Bundesebene oder bei Großveranstaltungen erklären. Vielmehr bedarf es auch einer Einordnung regionaler Vorgänge.
Regionale und überregionale Mobilisierung Die Demonstration am 08. Oktober, der sich bis zu 10.000 Teilnehmer:innen angeschlossen haben, sollte den Auftakt einer neuen AfD-Kampagne bilden: „Unser Land zuerst!“. Anders, als es der Kampagnenstart eventuell suggeriert, ist die Partei jedoch schon lange Teil zahlreicher Montagsaufmärsche und seit Wochen maßgeblich in die Mobilisierung für den Herbst und Winter involviert. Parteifunktionäre nehmen an Veranstaltungen teil oder treten als Sprecher:innen auf. Mancherorts, wie etwa in Magdeburg und Cottbus, meldet die Partei die Proteste seit geraumer Zeit selbst an. Beachtenswert ist, dass in vielen Fällen auf die Verwendung des Parteilogos verzichtet wird. Man hofft so auf Zulauf von verschiedenen politischen Spektren und Akteuren.
Auf dem Magdeburger Domplatz demonstrieren seit Wochen mehr als Tausend Menschen „für Frieden, Freiheit und Wohlstand!“ Redebeiträge sind geprägt durch populistische Hetze und aggressiven Nationalismus. In der Regel folgt nach etwa einstündiger Kundgebung ein Aufmarsch durch die Stadt, der sich mit den örtlichen Protesten aus dem verschwörungsideologischen Spektrum zusammenschließt. Angeführt wird dieser durch Parteifunktionäre. Die AfD bietet sich in Magdeburg als Institution an, die die Montagsproteste organisiert und die notwendige Infrastruktur stellt. So sollen Versammlungsverbote wie im letzten Jahr verhindert werden und Abwander:innen zu rechtsextremen Parteien wie den „Freien Sachsen“ wieder zurückgewonnen werden.
Auch in Cottbus finden jeden Montag Demonstrationen statt, die von der regionalen AfD um ihren Vorsitzenden, den ehem. Aktivisten der Identitären Bewegung, Jean-Pascal Hohm organisiert werden. „Gegen die Enteignung der Bürger. Für ein bezahlbares Leben.“ heißt das selbst auferlegte Motto. Weniger als eigene Forderungen werden in diesem Zusammenhang dann rassistische Ressentiments geschürt und regressive Kritik an politischen Verhältnissen formuliert. Das Beispiel Cottbus zeigt, dass dies nicht ohne Erfolg geschieht: Erst vor wenigen Wochen schaffte es der AfD-Kandidat Lars Schieske in die Stichwahl zur Wahl des Oberbürgermeisters, wo er dann etwa ein Drittel der abgegebenen Stimmen erhielt.
In Oranienburg, in der Nähe von Berlin, wird ebenfalls demonstriert. Inhaltlich arbeitet man sich, wie etwa Martin Reichardt (MdB und AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt) am 29. September, am Thema Ukrainekrieg und den Folgen für die Menschen in Deutschland ab. Damit folgte er einer inhaltlichen Linie, auf die im weiteren Verlauf des Textes noch eingegangen wird. An der mäßig besuchten Kundgebung auf dem Platz vor dem Oranienburger Schloss nahm eine kleine Abordnung der „Freedom-Parade“ aus Berlin teil, einer Gruppierung, die sich vehement gegen die Pandemie-Schutzmaßnahmen und gegen Impfungen einsetzt. Die AfD stellt für sie offenbar die Partei dar, bei der sie sich am besten aufgehoben fühlen.
Angesichts der beschriebenen Beispiele ergibt sich die Frage, mit welchen Themen es der Partei derzeit gelingt, Profit aus den bestehenden Krisen zu ziehen und sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler Ebene Menschen für sich zu gewinnen. Ins Auge stechen dabei vor allem zwei zentrale inhaltliche Komplexe.
Bekannte Themen: das „Andere“ und das „Fremde“
Die Pandemie und die Frage nach einem adäquaten Umgang damit waren nicht das Thema der Partei. Lange fand man keine eigene Linie und fiel vor allem durch radikales Dagegensein auf. Zunächst wurde die Bundesregierung als zu zögerlich dargestellt. Danach machte man eine Kehrtwende und wertete jeden Beschluss zum Infektionsschutz als überflüssig ab. In der Logik des propagandistischen und wenig konstruktiven Gegenhaltens wurden die Demonstrationen gegen den Infektionsschutz für die Partei interessant. Der Partei gelang es jedoch nicht, eigene Akzente zu setzen. Anders als 2015, als Tausende Geflüchtete Deutschland erreichten, fehlte der AfD im Kontext der Corona-Pandemie, der äußere, oder wie sie es sagen würde, der „volksfremde“ Feind. Mit dem russischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen die Ukraine hat sich das geändert. Deutlich zeigt sich das in Redebeiträgen der letzten Wochen.
In einer etwa halbstündigen Rede, die Björn Höcke am Tag der Deutschen Einheit in Gera vor fast 10.000 Menschen hielt, stellte er die Behauptung auf, dass es bei dem Krieg in der Ukraine vordergründig um Rohstoffe gehe. Tatsächlich stünden jedoch ein „anderes Menschenbild“ und ein „anderer Weg in die Zukunft" zur Verhandlung. Der „Frontverlauf der Gegenwart“ bestünde zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen.
Höcke zeichnete in seiner Rede ein dualistisches Zerrbild: Auf der einen Seite steht das US-geführte Establishment, auf der anderen Seite ein Staatenbündnis aus autoritären Staaten wie Russland, Ungarn und Serbien, die allesamt auf von ihnen als traditionell definierte Werte setzen. Werte, wie der religiöse Glaube, den der thüringische AfD-Landeschef als fundamental für die innere Gesundheit eines Volkes betrachtet.
Höcke sprach sich darüber hinaus für die klassische Kernfamilie zwischen Mann und Frau, Tradition und den Eigensinn der ‚Völker‘ aus. Unter dem Vorwand der Sorge um Kinder problematisierte er die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und das Selbstbestimmungsrecht für trans Personen. Der „andere Weg in die Zukunft“ ist also nach hinten gewandt. Feindbilder dieses anti-modernen und anti-universalistischen Weltbilds sind der Materialismus, Migrant:innen, queere Menschen und der Feminismus.
Als Verursacher all dieser Entwicklungen und Feind der ‚Völker‘ werden immer wieder die USA benannt. Dieser Diagnose liegt ein ausgeprägter Antiamerikanismus zugrunde, indem sich das Unbehagen an der gesellschaftlichen Modernisierung ausdrückt. Die negativen Konsequenzen der Moderne werden im Antiamerikanismus in den USA personifiziert. Sie werden so – ähnlich wie der Jude beim Antisemitismus – zum abstrakten Prinzip gemacht. Sie stehen stellvertretend für die kapitalistische Moderne, für Kulturlosigkeit, Materialismus und Liberalismus.
Demgegenüber beschrieb Höcke in Gera die russische Kultur als eine, der „menschlichen Sehnsucht und Wärme“, die der Deutschen ähnlich sei. Eine Kultur, die in der „materialistisch geprägten Zeit“ in Gefahr zu stehen scheint. Schuld hieran sei der „neue Westen“, allen voran die USA: das „Regenbogenimperium“, das versuche einen Keil zwischen die „Völker“ und „Nationen“ zu treiben, um sie zu einer „gesichtslosen Masse von perfekt durch materialisierten Konsum-Faschisten“ zu machen. Die deutsche Regierung sei der Befehlsempfänger der USA, die gegen die Interessen Deutschlands zur ausführenden Kraft der US-amerikanischen Interessen werde.
Mit der Beschreibung der US-amerikanische Strategie „als raumfremde Macht auf unserem Kontinent“ auf der einen Seite – eine Formulierung des rechtsnationalen Staatsrechtlers Carl Schmitt von 1939 – und den „globalen Imperialismus“ der USA auf der anderen Seite, bedient Höcke sowohl eine neonazistische als auch eine antiimperialistische Klientel, die eher der Linken zuzuordnen ist. Es handelt sich hierbei um den Versuch, auch Menschen jenseits des traditionellen AfD-Spektrums anzusprechen.
Das „Andere“
Die Ausführungen Höckes zur Rolle der USA erinnern an die Figur des Dritten, die vom Soziologen und Antisemitismusforscher Klaus Holz beschrieben wurde. In der Regel konzipiert sich eine ‚Wir‘-Gruppe als Nation/‚Volk‘, ‚Rasse‘ oder Religionsgemeinschaft. In einem binären System steht die eigene „Wir‘-Gruppe einer anderen ‘Wir’-Gruppe gegenüber (z.B. Deutschland und Russland). Durch dieses Grundmuster kann zwischen innen und außen, zwischen Eigenem und Fremden unterschieden werden. Dies zeigt sich auch im neuen Kampagnennamen „Unser Land zuerst“, mit dem sich die AfD als Sprachrohr der eigenen ‚Wir‘-Gruppe inszeniert.
Im modernen Antisemitismus verkörpert der Jude, nicht eine fremde „Wir‘-Gruppe, sondern stellt das absolut Andere dar, das die Binarität der Völker durchbricht. In der Vorstellung einer antisemitischen Weltverschwörung versuche er durch seinen ‚zersetzenden Charakter‘, die Unterschiede aller ‚Völker‘, ‚Rassen‘ und Religionen aufzulösen.
Indem in Höckes Erzählung die USA für eine „globale Einheitszivilisation“ verantwortlich gemacht werden, verkörpern sie – statt des Juden – diese Figur. Mit dem Zusatz, die USA wären letztendlich „auch ein fremdbestimmtes Land“, liegt die Vermutung nahe, dass sie für Höcke jedoch letztendlich auch nur das Werkzeug einer noch ‚mächtigeren‘ Instanz sind. Die Verbindung von antiamerikanischen und antisemitischen Denkmustern wird hier besonders deutlich.
Das „Fremde“
Die AfD inszeniert sich im Kontrast zu der vermeintlich „fremdbestimmten Bundesregierung“ als die Instanz, welche die deutschen Interessen vertrete. So sprach beispielsweise Martin Reichardt in Oranienburg am 29. September 2022 davon, dass die AfD Politik für „unsere Menschen“ und “für den Wohlstand des deutschen Volkes" machen wolle.
Der Politik für das ‚Volk‘ steht eine Politik im Weg, die einen Anspruch auf universelle Menschenrechte stellt, wie beim Thema Flucht und Migration deutlich wird. So formulierte Dennis Hohloch (MdL Brandenburg, AfD) am 08. Oktober 2022 in Berlin die rhetorische Frage, wie „eine Regierung es zulassen [könne], dass in einer Situation, wo Geld an jeder Ecke fehlt, in der die Preise in die Decke gehen, 1,4 Millionen Menschen in unser Land kommen, um von unseren Sozialsystemen zu profitieren.“ Jan Moldenhauer (MdL Sachsen-Anhalt, AfD), stellte am 26. September 2022 in seiner Rede in Magdeburg heraus, dass die Grenzen geschlossen werden müssen, um die Zuwanderung von „hunderttausend junger kulturfremder Männer“ zu verhindern.
Wie in Höckes Rede sichtbar wurde, ist der bedrohlichste Feind der Völker nicht der:die Migrant:in (eine andere Identität), sondern die Instanz, mit welcher die Moderne und der Universalismus identifiziert wird. Diese „forciere“ „die Zerstörung der Nationen durch Masseneinwanderung“. Migration ist hier also nur das Mittel, mit dem die vermeintlich ‚homogenen Völker’ aufgelöst werden sollen. Der:die Migrant:in ist jedoch sichtbar und kann auf dem eigenen Territorium bekämpft werden. Die Agitation gegen den:die Migrant:in ist leichter zu greifen als ein Prinzip und entfaltet so potentiell mehr Stoßkraft zur Mobilisierung der Massen.
Diese Beispiele zeigen, dass die ausgeprägte Abneigung gegenüber den USA und die Agitation gegen Geflüchtete und Migrant:innen – zwei scheinbar voneinander getrennte Themen – in der rechten Weltsicht eng miteinander verwoben sind.
Fazit
Die Demonstration am 08. Oktober war seit Jahren der größte in weiten Teilen rechtsextreme Aufmarsch in Berlin. An diesem Tag zeigte sich deutlich, dass die AfD versucht, sich an die Spitze einer spektrenübergreifenden Sammlungsbewegung zu setzen. Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit der „Identitären Bewegung“ und den „Freien Sachsen“ – die noch nie strikt durchgesetzt wurden – sind kaum noch von Bedeutung. Auch auf Zulauf vonseiten anderer politischer Spektren wird gehofft.
Die Instrumentalisierung der Krise verhilft der AfD zu neuem Aufwind. Hierfür wird auf Inhalte zurückgegriffen, mit denen man in diesem Ausmaß lange Zeit nicht mehr punkten konnte. Die derzeitige Krise ist anschlussfähiger für originäre Schwerpunktthemen der Partei. Statt solidarische Lösungen für eben jene Krise zu entwickeln, werden Schuldige konstruiert, die sich in ihr Weltbild einfügen. Dabei schreckt man nicht vor aggressiver Rhetorik und menschenverachtendem Vokabular zurück. Altbekannte Feindbilder – Altparteien, USA, Migrant:innen – werden den Anhänger:innen als Projektionsfläche für ihre in Teilen begründete Angst und Wut präsentiert. Die soziale Frage wird hierbei instrumentalisiert und völkisch-rassistisch beantwortet.
Der derzeitige Erfolg der AfD ist auch darüber zu erklären, dass es den meisten anderen Parteien offenbar nicht gelingt, weite Teile der Gesellschaft und vor allem Menschen, die unter schwierigen sozioökonomischen Bedingungen leben, adäquat zu adressieren. Gerade auf regionaler Ebene ist es oft die AfD, die Proteste organisiert und – wie aufgezeigt, verkürzte und fehlgeleitete – Kritik formuliert. Wirkliche Antworten hat die in Teilen rechtsextreme Partei nicht. Sie profitiert aus den Versäumnissen anderer politischer Akteure und schafft es, die Bedürfnisse vieler Menschen durch populistische Rhetorik und das Schüren von Angst zu adressieren.
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