Schon seit Jahren ist Cottbus ein zentraler Ort rechtsextremer Mobilisierung in Deutschland. Bereits 2017 und 2018 fanden in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs wöchentliche Demonstrationen des rassistischen Vereins „Zukunft Heimat“ statt, an denen sich damals regelmäßig mehr als tausend Menschen beteiligten. Auch die „Identitäre Bewegung“ (IB) und andere Akteure aus dem neonazistischen und Hooligan-Milieu zeigten in der Vergangenheit regelmäßig Präsenz und sind auch heute noch tief in der Stadtpolitik verwurzelt.
Deutlich zeigt sich das in Person des Cottbuser AfD-Chefs Jean-Pascal Hohm, der schon länger als Anmelder der wöchentlichen Demonstrationen fungiert. Hohm blickt auf eine einschlägige Vergangenheit bei der IB zurück und ist nach wie vor gut vernetzt. Er verfügt stadtintern über maßgeblichen Einfluss, schart bei den wöchentlichen Protesten junge Menschen um sich herum und hetzt diese auf.
Auch am 17. Oktober 2022 wurde demonstriert. Insgesamt kamen an diesem Abend lediglich etwa 500 Personen zum Oberkirchplatz. Was folgte, war eine Aneinanderreihung von massiver Pressefeindlichkeit, rechtsextremer Machtdemonstration sowie zögerlichem und insbesondere unzureichendem Polizeihandeln:
Von Beginn an sahen sich Feldbeobachter:innen bzw. Pressevertreter:innen Anfeindungen und Bedrohungen seitens der Teilnehmer:innen ausgesetzt. Auch aus dem direkten Umfeld des Anmelders, Jean-Pascal Hohm, kam es zu Einschüchterungsversuchen. Neben der mehrmaligen Aufforderung, den Platz zu verlassen oder den Arbeitgeber preiszugeben, drängte man die Pressevertreter:innen vom Versammlungsort ab. All das, bevor überhaupt mit der Arbeit begonnen wurde.
Im weiteren Verlauf fertigten Teilnehmer:innen während des etwa einstündigen Protestzugs mehrere Portraitaufnahmen von den Berichterstatter:innen an. Es ist davon auszugehen, dass diese Bilder in szeneinternen Kanälen verbreitet werden. Die anwesenden Pressevertreter:innen wurden über längere Zeit verfolgt und vulgär beleidigt. Ein Teilnehmer aus dem neonazistischen Spektrum näherte sich einer Kollegin von hinten und blies ihr kurz und kräftig aus unmittelbarer Nähe in die Haare.
Das Verhalten der Polizei war während der gesamten Zeit zögerlich und in Teilen fahrlässig. Nachdem sich die Pressevertreter:innen am Versammlungsort bei den Beamt:innen routinehaft vorstellten, wurden sie hinsichtlich ihrer Arbeit belehrt – verbunden mit der Angabe irreführender Informationen: Man wies darauf hin, es dürften keine Portraitaufnahmen von Teilnehmenden angefertigt werden. Das trifft nicht zu. Es obliegt der Presse, zu entscheiden, welche Art der Aufnahmen gemacht werden. Lediglich die Veröffentlichung entsprechender Aufnahmen kann die abgebildeten Personen nach dem Kunsturhebergesetz in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzen. Ausgeschlossen davon sind aber Organisator:innen und Personen der Zeitgeschichte. Auch Personen, die durch ihr Verhalten herausstechen und für die Versammlung repräsentativ sind, dürfen auch in Einzelaufnahmen öffentlich abgebildet werden.
Die Polizei übernahm in diesem Moment ein Narrativ, das von Seiten der Demonstrationsteilnehmer:innen immer wieder genutzt wird, um die Berichterstattung auf Versammlungen zu behindern. Trotz der Tatsache, dass zwei Ansprechpartner für Pressevertreter:innen anwesend waren, wurden Teilnehmende nicht an Drohungen, Einschüchterungsversuchen und Bedrängungen gegenüber der Presse gehindert. Erst nach expliziten Hinweisen seitens der Pressevertreter:innen schritt man zaghaft ein und suchte mit zwei der Teilnehmenden das Gespräch, die jedoch an dem Vorgang nicht unmittelbar beteiligt waren.
Die Versammlung wurde von nur wenigen Polizeikräften begleitet, so dass der Protestzug während des gesamten Verlaufs polizeilich nicht in ausreichendem Maße abgesichert werden konnte. Der Schutz der Pressearbeit war unter diesen Umständen nicht möglich, sodass Pressevertreter:innen immer wieder aufs Neue in Situationen gerieten, in denen sie verfolgt und bedroht wurden. Um die eigene Sicherheit zu gewährleisten, entzogen sich die Pressevertreter:innen der Situation, was zur Konsequenz hatte, dass sie ihre Arbeit vorübergehend einstellen mussten.
Erst zum Abschluss des Abends wurden die Pressevertreter:innen seitens der Polizei (zum Teil sehr resolut) angesprochen – lange, nachdem sich die dargelegten Situationen ereignet hatten. Zwar leistete man dann zumindest einen vorübergehenden Begleitschutz, doch wurde eine sichere Abfahrt der beteiligten Pressevertreter:innen nicht in Gänze gewährleistet. Personen um den Anmelder Jean-Pascal Hohm verharrten bis zum Ende und fotografierten bzw. filmten die Kolleg:innen und ihren PKW. Die Polizei schritt in diesem Zusammenhang nur zaghaft ein und kontrollierte einzelne der Beteiligten.
Festzuhalten bleibt, dass sich in Cottbus Woche für Woche auf Initiative der lokalen AfD mehrere Hundert Menschen zu Montagsprotesten versammeln, die in weiten Teilen dem rechtsextremen bzw. neonazistischen Milieu zuzuordnen sind. Diese werden vor Ort von jungen Aktivisten aus dem Umfeld der IB angeführt. Weder in Reden noch auf Plakaten werden Inhalte transportiert. Der Aufzug hat den Charakter einer reinen Machtdemonstration, die Umsturzfantasien und die Mobilisierung einer möglichst breiten Masse beinhaltet. Der vergleichsweise geringe Zulauf am 17. Oktober darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass AfD-Kandidat Lars Schieske noch vor wenigen Wochen über 30% der Stimmen bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister erhielt – mit maßgeblicher Unterstützung des Vorsitzenden der AfD in Cottbus Jean-Pascal Hohm.
Die Partei und ihr Umfeld versuchen in Cottbus seit geraumer Zeit, den politischen Ton anzugeben und an Einfluss zu gewinnen. Das ist bspw. mit der Errichtung einer Art „No-Go-Area“ – zumindest während des montäglichen Aufmarsches – verbunden. Aufgrund fehlender medialer Aufmerksamkeit und öffentlicher Abstumpfung und Ausgebranntheit werden Vorgänge dieser Art schon seit längerem nicht mehr in der Art und Weise skandalisiert, wie es der Fall sein sollte. Es ist erschreckend, mit welcher Feindseligkeit und Aggression gegen Pressevertreter:innen vorgegangen wird und wie wenig Beachtung entsprechende Vorfälle, insbesondere auf regionaler Ebene, mittlerweile erfahren. Es bedarf eines konsequenten politischen Handelns und einer deutlichen Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure, um demokratiegefährdende Tendenzen und Strukturen wie in Cottbus entgegenzutreten.
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