Am vergangenen Freitag, den 30. Oktober, mobilisierte nach längerer Inaktivität der rechtsextreme Verein „Zukunft Heimat“ zu einer Kundgebung nach Cottbus. Unter dem Motto „Einigkeit, Recht und Freiheit“ sollte die Freiheit verteidigt werden, die in den Augen der Beteiligten bedroht sei. Als Gastredner:innen waren prominente Politiker der rechtsnationalen AfD und des rechtsextremen Pegida-Netzwerks aus Dresden angekündigt. Rund 400 Menschen, viele geschmückt mit Deutschland-Fahnen, kamen zum Platz vor der Stadthalle im Zentrum der Stadt.
Das Regenwetter am Freitagabend passte gut zur Stimmung der anwesenden Zuhörer:innen der ersten großen rechtsextremen Kundgebung seit Monaten in der Lausitzstadt. Man sei besorgt um die Freiheit in diesem Land, die aufgrund der Beobachtung der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg durch den Verfassungsschutz und der derzeitigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie immer weiter eingeschränkt sei. Das beunruhige die Menschen, vor allem im Osten, die vor 30 Jahren, wie es im Aufruf der Versammlung hieß, schon einmal für ihre Freiheit kämpfen mussten. Um diese Freiheit wiederherzustellen, sei die AfD angetreten, die die Wende 2.0 zur letzten Landtagswahl in Brandenburg ankündigte. Auch für die kommende Bundestagswahl soll es das zentrale Motto der Rechtsaußen-Partei sein, die diesen Abend nutzte, um inoffiziell ihren Wahlkampf zu beginnen.
Angemeldet und moderiert wurde die Kundgebung von Hans-Christoph Berndt. Der Vereinsvorsitzende des Vereins „Zukunft Heimat“ hat seit Mitte vergangener Woche auch den Vorsitz der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag inne. Außer bei der Eröffnung der Veranstaltung und der Ankündigung der Redner:innen hielt er sich an dem Abend im Hintergrund. Dies traf auch auf seinen Vorgänger in der Landtagsfraktion zu. Der Rechtsextreme Andreas Kalbitz verfolgte das Geschehen vom Bühnenrand und hatte selbst keinen Auftritt, demonstrierte aber durch seine Anwesenheit seine Zugehörigkeit zur nationalen Bewegung. Und diese präsentierte sich an diesem Abend äußerst geschlossen.
Nach einem kurzen Auftritt der Co-Vorsitzenden von „Zukunft Heimat“ Anne Haberstroh kam Alexander Gauland zu Wort. Der Vorsitzende der AfD-Bundestagfraktion versuchte sich staatsmännisch zu geben, unterließ es aber nicht, immer wieder von einer „Corona-Diktatur“ und einem „Kriegs-Kabinett“ der Bundesregierung zu sprechen. Dabei fügte Gauland Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, inzwischen eine seiner Spezialitäten, schon fast beiläufig in seine Rede ein. Anschließend sprach Wolfgang Taufkirch von PEGIDA, der dem AfD-Politiker in seinem Redebeitrag in nichts nachstand. Während Lutz Bachmann, eine der Führungsfiguren PEGIDAS, die Rede live streamte, sprach Taufkirch beharrlich von „Mitteldeutschland“ als er über die Erfolge seiner extrem rechten Bewegung in Ostdeutschland redete. Damit machte er einmal mehr deutlich, welche revisionistischen Ansprüche die extreme Rechte an die ehemaligen deutschen Ostgebiete, die heute zu Polen, Tschechien und Russland gehören, hegt.
Zentrales Thema waren jedoch die islamistisch motivierten Anschläge in Frankreich und Dresden in den vergangenen Wochen. Hiermit konnten die Rechtsextremen sich wieder auf ihr altes Feindbild, den Islam und die Muslime, besinnen und ihrem Rassismus freien Lauf lassen. Aber anstatt den islamistischen Terror als solchen zu verurteilen und für individuelle Freiheitsrechte für alle Menschen einzustehen, wurden Muslime unter Generalverdacht gestellt. Ihnen wurde das Recht auf ein friedliches Leben in Europa abgesprochen. Der Stargast dieses Abends Björn Höcke steigerte diesen Rassismus im Verlauf seiner Rede bis hin zu Vertreibungsphantasien, die unweigerlich an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik erinnern.
Der Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag redete bei zunehmendem Regen über eine halbe Stunde lang in hetzerischem Tonfall. Die Menge bejubelte seine Ausführungen mit begeisterten „Höcke, Höcke“- und „Widerstand“-Rufen. Kurzzeitig richtete sich die Aggression der Menge gegen ein anwesendes Kamera-Team des rbb, das mit „Lügenpresse“-Rufen diffamiert wurde. In einem von Höcke vorgestellten Drei-Stufen-Programm forderte der AfD-Politiker Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf, einzugestehen, dass die Einwanderung von Menschen aus islamisch geprägten Ländern nach Frankreich und Europa ein Fehler gewesen sei, dass ein sofortiger Einwanderungstopp verhängt werden müsse und dass es schlussendlich zu einer, wie Höcke es formulierte, „friedlichen Verringerung der Anzahl der Muslime in Europa“ und einer „friedlichen Deislamisierung Europas“ kommen müsse. Die Bezeichnung Macrons und anderer Politiker:innen als „Globalisten“ wiesen dabei auf die antisemitische Konnotation in der Rede des völkischen AfD-Politikers hin. Begriffe wie „Globalisten“, „US-Ostküste“ und „Zionist Occupied Government“ (kurz ZOG) werden im Antisemitismus nach 1945 als Codewörter für „die Juden“ und „jüdische Weltverschwörung“ benutzt, um sich vom Vorwurf des Antisemitismus zu entlasten und Strafverfolgung zu entgehen.
Neben Muslimen als Feindbild standen aber auch die von Verschwörungsideolog:innen angeführten Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der vergangenen Monate im Mittelpunkt von Björn Höckes Rede. So adressierte der ehemalige Geschichtslehrer ganz offen das „Querdenken“-Bündnis als Verbündeten im Kampf gegen die COVID-19-Eindämmungsmaßnahmen der Bundesregierung und verteidigte den verschwörungsideologischen Medienschaffenden Ken Jebsen als „Aufklärer für die Wahrheit“, der ein Vorbild für viele gleich gesinnte Blogger sei. Wie auch die Aktivist:innenn des „Querdenken“-Bündnisses leugnete Björn Höcke die Gefährlichkeit von COVID-19 und verbreitete auf der Bühne den Verschwörungsmythos von „DNA-verändernden RNA-Impfstoffen“. Eine Meinung, die einige an diesem Abend in Cottbus mit ihm geteilt haben dürften. Denn schon zu Beginn der Pandemie in Europa im März hatten Höckes „Flügel“-Kollegen Hans-Christoph Berndt und Andreas Kalbitz die Maßnahmen gegen das Virus als Corona-Hysterie bezeichnet und die vom Virus ausgehenden Gefahren verharmlost. Auch das Publikum schien diese Meinung zu teilen, da die Mehrzahl der Teilnehmer:innen keinen Mund-Nasen-Schutz trug und durch den Moderator Berndt immer wieder aufgefordert werden musste, die geltenden Abstandsregeln einzuhalten.
Der gemeinsame Auftritt von „Zunkunft Heimat“ mit Pegida-Aktivisten und AfD-Politikern am 30. Oktober in Cottbus zeigte einmal mehr, dass Abgrenzungs- und Unvereinbarkeitsbeschlüsse früherer Jahre schon lange keine Rolle mehr spielen. Der politische Tenor des Abends war viel eher, eine nationale Einheitsfront gegen das progressive, demokratisch-liberale und kosmopolitische Deutschland und Europa zu bilden.
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