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In Gedenken an die jüdische Widerstandskämpferin Käte Rosenheim


Heute gedenken wir Käte Rosenheim (1892–1979), die als Sozialarbeiterin der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland Tausende jüdische Kinder und Jugendliche bei ihrer Flucht mit dem Kindertransport aus dem nationalsozialistischen Deutschland begleitete. Neben der Kinder- und Jugend-Aliyah, mit der Tausende Jugendliche in die Kibbuzim in Palästina auswanderten, waren die Kindertransporte die größte Rettungsaktion für jüdische Kinder und Jugendliche.


Käte Rosenheim wurde am 13. Januar 1892 in Berlin geboren. Nach ihrem Schulabschluss absolvierte sie zunächst von 1909 bis 1912 eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin an der Sozialen Frauenschule in Berlin-Schöneberg. Währenddessen hielt sie sich mehrere Monate in Oxford auf, wo sie Englisch lernte. Nach dem Abschluss ihrer ersten Ausbildung absolvierte sie eine weitere Ausbildung zur Säuglingsschwester und besuchte nebenbei Vorlesungen an der Berliner Universität. Anschließend arbeitete sie mehrere Jahre in einer Fürsorgeanstalt, in der sie Säuglinge betreute, sowie im Büro für Sozialpolitik der Gesellschaft für Soziale Reform. Während des Ersten Weltkriegs ging Käte verschiedenen Tätigkeiten nach: Nach dem Kriegsausbruch 1914 leitete sie zunächst ein Jahr lang die Hilfskommission des Nationalen Frauendienstes. Im darauffolgenden Jahr arbeitete sie in der Bibliothek des Frauenberufsamtes und anschließend im Frauenreferat der Kriegsamtsstelle.


Einige Monate nach Ende des Ersten Weltkrieges begann Käte ihre Arbeit als Sekretärin für Carl Severing im Preußischen Innenministerium. 1928 wurde sie schließlich als Beamtin und Regierungsrätin befördert. Zwei Jahre später wurde sie Dezernentin für das Wohlfahrtswesen, nachdem sie in die Regierungsabteilung des Polizeipräsidiums Berlin gewechselt hatte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Käte zunächst beurlaubt und nach dem Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 7. April 1933 schließlich ganz aus ihrer Leitungsposition im Polizeipräsidium entlassen.


Käte schloss sich dem Jüdischen Frauenbund an, für dessen Zeitschrift sie Artikel verfasste und auf dessen Sitzungen sie unter anderem eigene Vorträge hielt. Dort lernte Käte auch Siddy Wronsky (1883–1947) kennen, die bis 1933 die Vorsitzende des Jüdischen Frauenbundes war und als eine der führenden Sozialarbeiterinnen in der jüdischen Wohlfahrt galt. Auch nach Siddys Auswanderung nach Palästina blieben die beiden Frauen in Kontakt. Käte besuchte sie während ihrer Reise nach Palästina im Jahr 1935.


Durch Siddy erhielt Käte im Jahr 1934 eine Stelle als Sozialarbeiterin in der Abteilung Kinderauswanderung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Käte organisierte die Auswanderung jüdischer Kinder und Jugendlicher in die USA, die Schweiz, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweden, Dänemark und Australien und verhandelte mit verschiedenen Hilfsorganisationen um die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen. In Begleitung von Erwachsenen verließen die diese Deutschland in Gruppen mit dem Zug oder Schiff. Jedes Kind durfte lediglich einen Koffer mitnehmen, der nur so schwer sein durfte, dass das Kind ihn selbst tragen konnte. Der Abschied war sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für ihre Angehörigen traumatisch – für die meisten war es ein Abschied für immer.


Zunächst wanderte ein Großteil der Kinder und Jugendlichen in die USA aus, wo sie in Pflegefamilien untergebracht werden konnten. Nach den Novemberpogromen 1938 begleitete Käte vor allem Kindertransporte nach Großbritannien, das sich als einziger Staat dazu bereit erklärt hatte, 10.000 jüdische Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Immer mehr Eltern fürchteten sich um die Sicherheit ihrer Kinder und sahen keine andere Möglichkeit als sich von ihnen zu trennen und sie ins Ausland zu schicken. Einige Kinder und Jugendliche konnten zu bereits ausgewanderten Verwandten oder in Pflegefamilien ziehen, in denen sie oft im Haushalt arbeiten mussten. In den zumeist christlichen Gastfamilien verloren viele Kinder ihre jüdische Identität, da sie oft einem religiösen Druck ausgesetzt waren und zum Christentum konvertierten. Ein Großteil kam jedoch in Heimen unter, da schon nach wenigen Wochen mehr Kinder und Jugendliche in Großbritannien eintrafen, als es Pflegefamilien gab, die sich dazu bereit erklärt hatten, geflüchtete Kinder bei sich zu Hause aufzunehmen.


Nach Ausbruch des Krieges konnten die Kinder nur noch über das Rote Kreuz Briefe zu ihren Eltern schicken,die oft sehr lange brauchten, bis sie ankamen. Mit dem Beginn der Deportationen im Herbst 1941 brach der Kontakt zu den Angehörigen in den meisten Fällen ganz ab.


Am 5. November 1941 schrieb Max Lichtwitz, dessen Sohn Heinz mit einem Kindertransport nach England geflohen war, an einen Freund:


„Diesen Brief bitte ich als eine Art Abschiedsbrief aufzufassen, denn ich weiss nicht, ob ich überhaupt nocheinmal oder wann ich wieder dazu kommen werde, an Dich zu schreiben...Ich glaube, dass mein Heini gut aufgehoben ist und dass Foners für ihn in einer Art sorgen werden, wie es Eltern nicht besser tun können. Sprich auch ihnen, wenn es einmal am Platz sein wird, meine tiefe Dankbarkeit dafür aus, dass sie es meinem Kind ermöglicht haben, dem Schicksal zu entgehen, das mich ereilen wird....Sage ihm bitte später einmal, dass ich ihn nur aus tiefer Liebe und Sorge um seine Zukunft fortgegeben habe, dass ich ihn aber auf der anderen Seite Tag für Tag auf das Schmerzlichste vermisst habe und dass mein Leben seinen Sinn verloren hat, wenn es nicht noch einmal eine Möglichkeit geben sollte, ihn wiederzusehen.“


Nur ein Jahr nachdem er den Brief verfasst hatte, wurde Max Lichtwitz nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sein Sohn überlebte den Krieg in England und wanderte 1968 nach Israel aus.


Nicht für alle Kinder und Jugendliche bedeutete die Flucht mit dem Kindertransport die Rettung vor ihrer Deportation oder Ermordung. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien, Frankreich und den Niederlanden mussten die dorthin geflüchteten Kinder und Jugendlichen erneut fliehen oder konnten ihrer Deportation nicht entgehen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten die wenigsten der geflüchteten Kinder und Jugendlichen nach Deutschland zurück. Da die meisten Kinder ihre Eltern durch dieShoah verloren hatten, blieben viele in den Ländern, in die sie ausgewandert waren oder emigrierten nach Israel. Viele der Kinder und Jugendlichen litten unter Scham- und Schuldgefühlen, da sie oftmals die einzigen Überlebenden ihrer Familie waren.


Käte flüchtete gemeinsam mit ihrer Mutter im Januar 1941 mit einem der letzten Schiffe, das Europa verließ, in die USA. In New York arbeitete sie zunächst einige Monate als Sozialarbeiterin für das Migration Department des National Refugee Service und studierte anschließend an der New York School of Social Work. 1947 zog Käte zu ihrer jüngeren Schwester nach Kalifornien, wohin diese 1939 emigriert war. Bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 1958 arbeitete sie für verschiedene Wohlfahrtsorganisationen. Am 4. Dezember 1979 starb Käte im Alter von 87 Jahren in Cupertino in den USA.

Literatur:

Gudrun Maierhof, Chana Schütz, Simon Hermann (Hrsg.): Aus Kindern wurden Briefe. Die Rettung jüdischer Kinder aus Nazi-Deutschland.


https://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/through-the-lens/postkarten-kindertransporte.asp


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