Von mehreren tausend Teilnehmer:innen sind die Pegida-Demonstrationen schon lange Zeit entfernt. Und auch an diesem Sonntag, dem 17.10.2021, an dem die rechtspopulistische und rassistische Bewegung ihr siebenjähriges Jubiläum feierte, kamen mit knapp 1.000 Personen gerade mal so viele, dass man noch von einer gewissen Relevanz sprechen kann. Die Jubiläumsveranstaltung wurde von fast 3.000 Gegendemonstrant:innen lautstark begleitet, die ihre Ablehnung der Inhalte durch Sprechchöre, Gepfeife, laute Bässe und Redebeiträge ausdrückten.
Die Anwesenden machten keinen Hehl aus ihrer ideologischen Ausrichtung: Versuchte man in der Vergangenheit noch, sich einen vermeintlich bürgerlichen Anstrich zu geben und sich als breite demokratische Bewegung zu profilieren, dominieren heute offen verschwörungsideologische und rechtsextreme Positionen - sowohl zu erkennen an den Redebeiträgen als auch an den Symbolen, die die Teilnehmenden mit sich führten.
Mehrere Reichsflaggen mit Symbolen der verschwörungsideologisch-antisemitischen QAnon-Bewegung, der Identitären Bewegung, der Jungen Alternativen, ein Stand der “Freien Sachsen” [1], sowie etliche anwesende Einzelpersonen aus dem rechtsextremen Spektrum machten deutlich, dass Pegida heute vor allem ein Sammel- und Vernetzungsbecken für eine europäische rechtsextrem-verschwörungsideologische Bewegung ist. Und nein, von einer Querfront wie z.B. bei den Coronademonstrationen lässt sich hier definitiv nicht sprechen, auch wenn vermutlich diverse Teilnehmer:innen aus dem Querdenken-Spektrum heute anwesend waren.
Die Bühne bestätigte diesen Eindruck: Mit Heinz-Christian “HC” Strache (ex-FPÖ) und Tommy Robinson (English Defence League, EDL) waren neben altbekannten Anwesenden wie Jürgen Elsässer (Compact-Magazin), Irfan Peci (Ex-Islamist und Ex-V-Mann) und Christoph Berndt (AfD Brandenburg und Gründer von „Zukunft Heimat“) internationale Gäste des rechtsextrem-verschwörungsideologischen Spektrums geladen und verbreiteten weitestgehend einheitliche Inhalte: Von “Globalisten” war häufig in antisemitischer Manier die Rede, denen man sich widersetzen müsse, von denen man sich nicht unterkriegen lassen soll (Strache) oder die ins Gulag gehörten (Robinson), von Migration, die zum Verfall des Westens führe (alle), vom “Great Reset”, für den die Grünen-Politikerin Anna-Lena Baerbock stehe (Elsässer), von einer “Kapitalelite des Planeten”, die “die nächsten Schritte” plane und der unter anderem Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forums, angehöre - “das ist keine Verschwörungstheorie!” (Strache).
Insgesamt wirkte das Pegida-Jubiläum unspektakulär und zäh. Auch die internationalen Gastredner konnten die Teilnehmer:innen nicht zu besonders lang andauernden Sprechchören animieren. Der Rechtsextremist Tommy Robinson, dessen Rede von Bachmann stückweise übersetzt wurde, bezog sich mehrfach auf die Regierungszeit Merkels und die Krise des europäischen Grenzregimes im Jahre 2015, Merkel habe Schuld an der Misere Deutschlands. Die “AfD” böte wenigstens teilweise “eine politische Lösung”. Letzten Endes sei es eine “globale Elite”, welche die Menschen durch vermeintliches “social engineering” spalten wolle. Mit diesen verschwörungsideologischen und rassistischen Ideen findet Robinson sowohl bei Elsässer als auch bei Strache seine europäische Ebenbilder.
HC Strache sprach zu Beginn seiner Rede vermehrt über das “Ibiza-Attentat”, das auf ihn durchgeführt worden sei, benannte die Corona-Maßnahmen und den Lockdown als eines der großen Themen, denn diese “Impfapartheid” spräche unter anderem gegen die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen. Anstehen würde auch ein “Lockdown à la Greta”, in Bezug auf klimapolitische Einschränkungen und eine Digitalisierung des Geldes sowie eine “totale Kontrolle der Bürger” durch die Digitalisierung. Thematisch befasste er sich mit wie seine Vorredner mit verschwörungsideologischen Ideen. Seine Rede schloss er klassisch rassistisch mit den Themen Migration und den dadurch vermeintlich bevorstehenden “deutschen Minderheiten” ab. HC Strache, letzter Redner und eigentlich eine Art prominentes “Highlight” der Veranstaltung, konnte aber auch nicht verhindern, dass ein großer Teil des Publikums sich auf den verfrühten Nachhauseweg machte. Vielleicht teilte es unsere Einschätzung: Beim siebenjährigen Jubiläum wurde inhaltlich wenig Neues geboten und es handelte sich insgesamt um eine Veranstaltung, die wenig überraschte.
Dennoch: inhaltlich bleibt es natürlich höchstbrisant, was auf der Bühne dargeboten wurde. Und in diesem Licht erscheint der Eindruck, hier habe es sich um eine ‘unspektakuläre’ Veranstaltung gehandelt, nahezu absurd: Dass rechtsextreme, rassistische und verschwörungsideologische Inhalte mitten in einer Landeshauptstadt an einem Sonntagnachmittag so offen geäußert werden können, ist selbstverständlich ein Skandal. Nur kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bewegung ganz deutlich stagniert und es ihr an Mobilisierungskraft fehlt.
Und ein weiteres “dennoch”: All das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Szene und ihre führenden Köpfe sich weiter vernetzen, offenkundig auch international, und möglicherweise radikalisiert. Weniger Menschen, die an den Veranstaltungen teilnehmen, sind kein Grund davon auszugehen, dass das Gefahrenpotential von Pegida und ihren Organisator:innen nicht weiter besteht.
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[1] Die Partei “Freie Sachsen” wurde am 26.02.2021 in Schwarzenberg im Erzgebirge gegründet. Die Gründung steht in erster Linie in Zusammenhang mit Protesten gegen die Anti-Corona-Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen in Deutschland. So sammeln sich bei den ‚Freien Sachsen‘ etliche Kritiker:innen der staatlichen Maßnahmen. Entsprechend lassen sich Verweise auf die Corona-Politik auch im Grundsatzprogramm der Partei finden. Ein Blick auf die Führungsfiguren der Partei macht deutlich, dass es sich bei den ‚Freien Sachsen‘ nicht um eine Corona-kritische Partei aus der vielbeschworenen ‚Mitte der Gesellschaft‘ handelt, sondern um eine am äußersten rechten Rand.Seit Juni 2021 ist bekannt, dass das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz die ‚Freien Sachsen‘ beobachtet. Grund hierfür sei, so der Präsident Dirk-Martin Christian, dass es sich bei den ‚Freien Sachsen‘ um eine Gruppierung handele, die fest in der rechtsextremen Szene verankert sei und ein Mobilisierungspotenzial weit über die sächsischen Landesgrenzen hinaus habe. Es handele sich um „eine überregionale Vernetzungsplattform für Rechtsextremisten aus der gesamten Bundesrepublik“.
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