Eine Recherche der Süddeutschen Zeitung enthüllte jüngst antisemitische Aussagen mehrerer Mitarbeiter:innen der Deutschen Welle [1]. Die Auslandsrundfunkanstalt der Bundesrepublik betreibt im Libanon ein Korrespondentenbüro, bei welchem, dem Bericht zufolge, mehrere Personen mit zweifelhaften Einstellungen tätig sind. Die Aussagen der Angestellten reichen von Vernichtungsfantasien gegenüber dem israelischen Militär über antisemitische Verschwörungstheorien bis hin zu Holocaustleugnung. Ein Mitarbeiter soll auch jenseits von Online-Äußerungen in einem Gespräch mit einer Jüdin ausfallend geworden sein. Der Sender Deutsche Welle ordnete nun als Reaktion auf die Vorwürfe eine externe Untersuchung an. Zwar handelt es sich bei den Vorfällen um Aussagen von Privatpersonen, jedoch muss sich ein Sender, der aufgrund seines Auftrags der Demokratieförderung von Steuermitteln finanziert wird, fragen, inwiefern er solche Aussagen dulden kann. Außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass solche ideologischen Auffassungen auch die Berichterstattung beeinflussen. Erst im Mai diesen Jahres musste die Deutsche Welle ein Interview zurückziehen, in welchem ein palästinensischer Aktivist die Terroranschläge der Hamas rechtfertigte [2]. Der jetzige Vorfall reiht sich in eine lange Liste von Antisemitismusvorwürfen gegenüber deutschen Medien ein, welche innerhalb der letzten Monate mit einer auffälligen Regelmäßigkeit ergänzt wurde. Erst in der vergangenen Woche entfachte eine Debatte über die Art der Berichterstattung nach einem Terroranschlag in Israel.
Am Sonntag, dem 22. November 2021, kam es in der Jerusalemer Altstadt zu einem Attentat, bei dem ein junger Israeli ermordet und drei weitere teils schwer verletzt wurden. Der Täter - ein mutmaßliches Mitglied der islamistischen Terrororganisation Hamas - wurde dabei von der israelischen Polizei erschossen. Während die Tat von der Hamas als “heroische Operation” gefeiert wurde, herrschte in Israel tiefe Trauer und Anteilnahme mit den Angehörigen der Opfer. Auch deutsche Medien berichteten noch am selben Tag über den Anschlag. Speziell zwei Beiträge erhielten dabei Kritik für ihre diesbezügliche Berichterstattung [3].
“Israel: ein Palästinenser erschossen” - Diese Schlagzeile wählte die ZDF-Sendung heute-Xpress, um über das Attentat in der Jerusalemer Altstadt zu berichten. Bei Betrachtung des Tathergangs zeichnet der Titel von heute-Xpress allerdings ein anderes Bild. Der eigentliche Attentäter wird nicht etwa als solcher benannt - erst im Laufe des Videobeitrags wird davon gesprochen, dass zuerst auf Israelis geschossen wurde. Die Formulierung der Schlagzeile trägt dazu bei, dass bei den Zuschauer:innen der Eindruck entsteht, die israelische Polizei erschieße ohne Grund Palästinenser:innen. Aufgrund lautstarker Kritik, die Formulierung würde die Sachlage verdrehen, reagierte das ZDF und löschte den Beitrag nach ein paar Tagen von der Webseite. Eine differenzierte Stellungnahme blieb allerdings bisher aus. Die Online-Ausgabe der Rheinischen Post titelte in ihrem Bericht zu dem Vorfall: „Israelische Polizei erschießt Palästinenser am Tempelberg“. Nachdem auch hier eine verzerrende Darstellung vorgeworfen wurde, änderte die Zeitung ihre Schlagzeile wieder [4].
Ähnliche Formulierungen ließen sich schon in der Vergangenheit beobachten. Regelmäßig werden in Schlagzeilen und Artikeln Raketenbeschüsse sowie terroristische Angriffe von radikal islamistischen Gruppierungen auf die israelische Zivilbevölkerung verharmlost bzw. in den Hintergrund der Berichterstattung gerückt. Im Fokus steht stattdessen oftmals die israelische Reaktion auf diese Anschläge. So auch im Mai 2021, als die Hamas nach Auseinandersetzungen in Jerusalem über 1.800 Raketen in Richtung Israel abfeuerte. Das Morgenmagazin der ARD fügte damals einer mittlerweile gelöschten Meldung über weitere Raketeneinschläge den Twitter-Hashtag #Gazaunderattack bei und verdrehte damit Ursache und Wirkung [5]. Als im Oktober 2015 palästinensische Jugendliche in Jerusalem israelische Polizisten und orthodoxe Juden mit Messern angriffen und dabei mindestens drei Personen verletzten, hieß es bei der Zeit: “Israelische Sicherheitskräfte erschießen vier Palästinenser“ [6]. Später im Artikel wird zwar auf den genauen Tatverlauf hingewiesen, doch durch die Formulierung des Titels wird der eigentliche Verlauf verdreht.
Auch das Nachrichtenmagazin Spiegel ist in der Vergangenheit wiederholt durch eine unausgewogene Berichterstattung in Bezug auf Israel aufgefallen. In einem Artikel von 2016 [7] wird der damalige Premier Benjamin Netanjahu für die zunehmenden Terroranschläge in Israel verantwortlich gemacht und ihm wird vorgeworfen, die Erinnerung an den Holocaust zu instrumentalisieren. Außerdem seien die Gefahren für den israelischen Staat nichtig, sie würden lediglich von Netanjahu beschworen und inszeniert [8]. Ob ARD, ZDF oder Spiegel: Antiisraelische Berichterstattung zieht sich durch die deutschen Qualitätsmedien. Diese Einschätzung teilt auch die Kognitionswissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel. Sie merkte schon 2014 an, dass “deutsche Medien kaum ein Land so oft kritisieren wie Israel” [9].
Mittlerweile gibt es zu der Israel-Berichterstattung in deutschen Medien auch weitere wissenschaftliche Untersuchungen. So veröffentlichte der Kommunikationswissenschaftler Robert Beyer im Jahr 2015 die Ergebnisse einer Analyse deutscher Qualitätsmedien. Sein Fazit: “Die Qualitätspresse konstruiert mehrheitlich ein kritisches und einseitig negatives Bild von Israel und bewertet den Konflikt ungleichmäßig, darüber hinaus vertritt oder präsentiert sie punktuell israelfeindliche Positionen” (Beyer 2015: 234). Nicht nur in Meinungsbeiträgen seien solche Tendenzen zu finden, auch die als objektiv geltenden Nachrichtenbeiträge enthalten tendenziöse Formulierungen und Auffassungen (ebd.).
Die unausgewogene Berichterstattung ist insbesondere mit Blick auf das Israelbild der deutschen Bevölkerung überaus bedenklich. In einer repräsentativen stern-Umfrage aus dem Jahr 2012 [10] bezeichneten 59% der Befragten Israel als “aggressiv” und 70% stimmten der Aussage zu, Israel handele rücksichtslos. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung von 2015 zeigt zudem, dass 48% der Deutschen eine schlechte Meinung zu Israel haben, während lediglich 36% eine positive Meinung vertreten [11]. Diese mehrheitlich negativen Einstellungen zu Israel besonders im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt hängen eng mit der Berichterstattung deutscher Zeitungen und Nachrichtensendungen zusammen. Zum einen beeinflusst eine unausgewogene Berichterstattung die Meinungen in der Bevölkerung, zum anderen kann ein in Deutschland mehrheitlich negatives Israelbild auch in den Medien und ihrer Berichterstattung reproduziert werden. Diese wechselseitige Dynamik erschwert einen ausgewogenen Blick auf Israel und bietet den Nährboden für israelfeindliche Positionen. Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt setzt eine neutrale Berichterstattung voraus.
Das Problem der Israel-Berichterstattung in Deutschland ist kein neues. Wie die Analyse von Beyer aus dem Jahr 2015 zeigt gibt es schon länger eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber Israel innerhalb der deutsche Medienlandschaft, welche eben mit einer weit verbreiteten israelfeindlichen Einstellung innerhalb der deutschen Bevölkerung zusammenhängt. Die Aufmerksamkeit, welche dieser Problematik gewidmet wird, ist jedoch in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das Bewusstsein für Antisemitismus in der Öffentlichkeit wächst, womit auch die zahlreichen Debatten allein in diesem Jahr erklärt werden können. Umso erschreckender ist es, wenn Antisemitismus weiterhin von Qualitätsmedien geduldet wird.
Quellen:
[2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/gaza-konflikt-deutsche-welle-entschuldigt-sich-fuer-bericht-ueber-israel-17339552.html [3] https://www.sueddeutsche.de/medien/attentat-jerusalem-hamas-nahostkonflikt-rheinische-post-1.5470505
Beyer, Robert (2015): „Die Israelis können tun, was sie wollen und haben dafür immer Rückendeckung “ - Einseitig kritische Nahostberichterstattung in der deutschen Qualitätspresse. In: Schwarz-Friesel, Monika (Hrsg.), Gebildeter Antisemitismus. Baden-Baden: Nomos, 217-240.
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