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Alternative Medien und der Krieg in der Ukraine


Vor mittlerweile vier Monaten, am 24.02.2022, überfiel Putins Russland die Ukraine. Seit dem ersten Tag betreiben sog. alternative Medien Desinformationskampagnen und untermauern ihr in Teilen ideologisches Weltbild durch die Umdeutung aktueller Ereignisse.


Die Bezeichnung alternative Medien entspricht einer Selbstbezeichnung. Mit dieser soll zum Ausdruck gebracht werden, dass ein Medium den Gegenpart bzw. die Alternative zu einer vermeintlich einheitlichen hegemonialen Berichterstattung darstellt, die demzufolge sog. „Mainstreammedien“, der „Einheitspresse“ oder „Staatsmedien“ zugeschrieben wird. Im Gegensatz zu etablierten Medien, die sich weitestgehend an journalistische Standards halten, nutzen alternative Medien zuweilen ungesicherte Quellen, weisen inhaltliche Lücken auf und verbreiten gezielt Falschinformationen. Die daraus resultierenden Inhalte finden zuweilen Anklang bei Akteuren aus verschiedenen politischen Spektren.


Zur Zeit machen sowohl eher linke (z.B. KenFM/Apolut, NachDenkSeiten, Rubikon) als auch rechte bis rechtsextreme alternative Medien (z.B. Auf1, Compact) durch ihre Parteinahme für Russland auf sich aufmerksam. Sie eint die Nutzung bekannter verschwörungsideologischer und antisemitischer Motive bzw. Chiffren. Immer wieder ist die Rede von „Eliten“ oder „Globalisten“ und davon, auf welche Weise gewisse Personengruppen angeblich vom Krieg profitieren würden, ihn gar befeuert oder ausgelöst haben sollen. Durch diesen Kommunikationsumweg wird auf etwas hingewiesen, ohne es auszusprechen: Die aktuellen Ereignisse seien kein Zufall, sondern würden von den „Mächtigen“ geplant oder zumindest dazu genutzt, um ihre Interessen im Verborgenen durchzusetzen. Die Rede ist dann von einer vermuteten „Selbstbereicherung der Eliten“, der „NWO“ (Neue Weltordnung) oder einer „Corona-Diktatur“. Als Legitimationsgrundlage des Handelns jener Akteure wird oft die angeblich einseitige Berichterstattung der „westlichen“ oder „etablierten“ Medien benannt.[1] Dies wird dann mit einer pauschalen Medienschelte verbunden.[2]


Die Behauptung, der Krieg in der Ukraine stehe im Zusammenhang mit der Corona-Politik bzw. Corona-Impfstoffen, ist eines der gängigsten Narrative, das von alternativen Medien wiedergegeben wird.[3] Demnach handele es sich um einen orchestrierten Krieg, der die Aufmerksamkeit der Bevölkerung von einer möglichen Impfpflicht oder anderem, angeblich widerrechtlichen Handeln der Regierenden lenken solle. Auf diese Weise würden Bürger:innen in einem totalitären Regime gefügig gemacht.


Rational betrachtet, lassen sich diese Assoziationen in keiner Weise substantiieren. Für Kausalzusammenhänge zwischen dem Krieg und Corona-Hygiene-Maßnahmen gibt es keine Beweise. Die fehlende logische Stringenz weist auf den verschwörungs-ideologischen Charakter der Behauptungen hin.


Eine andere weitverbreitete Verschwörungserzählung ist die angeblicher ukrainischer „Biolabs“. Demnach sollen sich in der Ukraine „Biolabore“ zur Entwicklung biologischer Waffen befinden, die wiederum von der USA finanziert würden. Russland wolle durch seinen Angriff gegen die Biolabore bzw. eine von den USA gestützte (potentielle) Nuklearmacht vorgehen. Der Krieg gegen die Ukraine wird durch diese Vorstellung, welche bereits mehrfach widerlegt wurde, legitimiert. Bei Behauptungen wie dieser, die wie viele andere Verschwörungserzählungen russischen Desinformationskampagnen entstammt, wird eine Täter-Opfer-Umkehr vollzogen. Nicht Russland, sondern die Ukraine, USA, NATO oder schlichtweg der Westen seien die Aggressoren und instrumentalisierten den Krieg, um Russland zu dämonisieren.


Hinsichtlich der Gründe und Ursachen für die Unterstützung Wladimir Putins sind zwischen den verschiedenen politischen Spektren der alternativen Medien graduelle Unterschiede erkennbar. Seit längerem wird Wladimir Putin von rechten bzw. rechtsextremen Medien als nationalistischer, konservativer oder autoritärer Staatsmann idealisiert. Das lässt sich unter anderem in der sog. Neuen Rechten, weiten Teilen der AfD oder bei Anhänger:innen von Donald Trump beobachten.[4] Einer Studie des Thinktanks CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie) zufolge, korreliert überdies die Empfänglichkeit für bzw. der Glaube an Verschwörungserzählungen bzgl. des Kriegs stark mit einer AfD-Parteipräferenz. Demzufolge habe mehr als jede zweite Person, die angegeben habe die AfD wählen zu wollen, eher Verschwörungserzählungen zum Krieg gegen die Ukraine zugestimmt (58,4%). Alle der in der Umfrage behandelten Verschwörungserzählungen wurden von den hier vorgestellten Alternativen Medien verbreitet.


Im Falle eher linker Medien ist zumeist ein ausgeprägter Antiamerikanismus und die pauschale Diskreditierung des Westens Grund für die fortwährende Putin-Treue. Auch wenn sich die hier aufgeführten Lager in Teilen stark unterscheiden, verbindet sie die vermeintliche „Suche nach der Wahrheit“, für die nicht selten Verschwörungs-erzählungen zur Rate gezogen werden.


Auf diese Weise wird pro-russische Propaganda unhinterfragt wiedergegeben und sich gegen die Ukraine positioniert. Die Propaganda des Kremls wird übernommen und der Angriffskrieg wahlweise geleugnet, bagatellisiert oder legitimiert. Die Bezeichnung des Angriffskriegs in gewöhnlicher Kreml-Manier als „militärische Sonderoperation“[5] ist hier bezeichnend. Demgegenüber werden Berichterstattungen, die den eigenen Narrativen widersprechen, wie z.B. über Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, als Lügen bzw. Fake-News abgetan.[6]


Die Berichterstattung über aktuelle Themen und Krisen hat stets eine Kehrseite: Nicht selten werden damit verbunden Falschinformationen und Verschwörungsideologien verbreitet. Von der Corona-Pandemie, über Terroranschläge oder dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, für alles scheint es eine „alternative Wahrheit“ zu geben.





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