Parteien verfügen über ihnen nahestehende Vorfeldorganisationen. Es handelt sich in der Regel um Vereine, Projekte oder Medien, mit denen kooperiert und zusammengearbeitet wird. Das ist nichts Ungewöhnliches. Kritischer Betrachtung bedarf es, wenn sich diese Vorfeldorganisationen zu einem wesentlichen Teil aus rechtsextremen Akteur:innen zusammensetzen, die in Verdacht stehen, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen oder denen das sogar nachgewiesen werden kann. Zu beobachten ist das im Falle der Alternative für Deutschland (AfD), deren politisches Vorfeld sich maßgeblich aus Zusammenhängen der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ bzw. deren Tarnorganisationen zusammensetzt.
Als solche nehmen sie maßgeblichen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Partei. Sie sind eng mit dem stets herbeigerufenen Kulturkampf von rechts verbunden – einem zentralen Aspekt neurechter Ideologie. In der Vergangenheit wurde nach Bekanntwerden einschlägiger Verbindungen Kritik laut und die Partei sah sich im Zugzwang. Das hat sich mittlerweile verändert. Immer wiederkehrende Skandale haben zu einer Gewöhnung geführt, die der Partei hilft, ihr politisches Vorfeld in Stellung zu bringen, ohne dass es zu Konsequenzen kommt.
„Marktplatz der Ideen“ in Apolda
Die Wahl des Austragungsortes für den Bundeskongress der Jungen Alternative (JA) fiel in diesem Jahr wohl nicht umsonst auf die thüringische Kleinstadt Apolda. Als „Jugend, die vorangeht!“ wollte der AfD-Parteinachwuchs am 15. und 16. Oktober „die Weichen“ stellen „für ein besseres Morgen. [...] Für eine Avantgarde jener deutschen Jugend, die eine Zukunft im Sinne des Eigenen anstrebt.“ Wer könnte bei so hochtrabenden Zielen bessere Unterstützung leisten als der Landeschef der in Thüringen ansässigen Mutterpartei?
Trotz des ebenfalls anwesenden Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla war Björn Höcke der Stargast des Wochenendes: Er schüttelte Hände, posierte für Fotos und gab Interviews. Im Nachgang zeigte er sich begeistert, was weniger an der ihm entgegengebrachten Gastfreundschaft als an der in Apolda zu beobachtenden politischen Praktik gelegen haben dürfte.
Auf Telegram lobte Höcke wenige Tage später die Arbeit der Parteijugend und betonte, „jeder junge Aktivist“ müsse sich „gegen den links-liberalen Zeitgeist“ einsetzen. Sein Grußwort habe sich daher mit grundlegenden Strategien politischen Handelns befasst, dessen zentrales Element in Anlehnung an den französischen Autoren François Bousquet ein „Kulturkampf“ aus drei Säulen sei: „Wissen, Organisation und Bewegung“.
Die „patriotische Jugend“ wollte er daran erinnern, dass „vor der politischen die kulturelle Machtfrage gestellt und beantwortet werden“ müsse. Zugleich habe er aber feststellen müssen, dass er „Eulen nach Athen“ trage, denn seine Worte würden von der JA längst gelebt. Davon habe er sich insbesondere bei einem Rundgang durch die zahlreichen Informationsstände überzeugen können, an denen das politische Vorfeld seinen Beitrag zum oben erwähnten Kulturkampf präsentierte.
In der Tat haben Teile der AfD, darunter die JA, den in der Vergangenheit schon bei Pegida oder Zukunft Heimat Demonstrationen geforderten Zusammenschluss mit dem politischen Vorfeld längst vorangetrieben und mitunter bereits vollzogen. Während Verbindungen mit solchen „Bürgerbewegungen“ parteiintern vor einigen Jahren noch tabuisiert wurden, stehen sie heute in ähnlicher Form an der Tagesordnung. Dass der Einfluss des politischen Vorfeldes auf die AfD wächst, ließ sich spätestens beim Bundesparteitag in Riesa im Juni beobachten. In Apolda zeigte es sich einmal mehr besonders deutlich.
Anna Leisten, Mitglied des neugewählten Bundesvorstandes und aktiver Teil des Brandenburger Landesverbandes, betonte im Gespräch mit dem rechten Sender info-direkt, die JA verstehe sich „als Teil einer großen Bewegung“. „Vorfeld und Partei“, so Leisten, gehörten für sie „einfach zusammen“. Man habe in Apolda zeigen wollen, dass man „Hand in Hand“ arbeite und „durch niemand mehr“ getrennt werden könne.
Die AfD und ihr Vorfeld
Während des Bundeskongresses stellten verschiedene Vorfeldorganisationen der Partei ihre Arbeit vor. Zu bekannten Akteuren wie dem Verlag Antaios von Götz Kubitschek gesellten sich auch weniger prominente Projekte, die sich in unterschiedlichen Bereichen und somit arbeitsteilig betätigen. Dazu gehören Online-Medien, Printmagazine, Modemarken, Kampagnennetzwerke oder Computerspiele aus Kreisen, mit denen sich vor wenigen Jahren noch eine offene Zusammenarbeit verbot.
info-direkt
Während des gesamten Wochenendes mit von der Partie war das österreichische Medium info-direkt. Dem selbsternannten „Magazin für Patrioten“ kam die Aufgabe zuteil, das Geschehen filmisch zu dokumentieren und in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Geschäftsführung von info-direkt liegt bei Michael Scharfmüller, der nicht nur seit Jahren Kontakte zur Kaderschmiede der „Identitären Bewegung“ pflegt, sondern selbst auf eine rechtsextreme Vergangenheit in der österreichischen Jugendorganisation „Bund freier Jugend“ zurückblickt. Fernab seiner politischen Aktivitäten ist Scharfmüller auch als Mentalcoach tätig.
Scharfmüller besuchte in Apolda die Aussteller an ihren Ständen und interviewte Gäste – darunter Götz Kubitschek und Björn Höcke. Da keine etablierten Medien vor Ort waren, oblag die Berichterstattung allein Reporter:innen aus den eigenen Reihen. Dieses Vorgehen ist keineswegs neu und ließ sich in der Vergangenheit schon bei ähnlichen Veranstaltungen beobachten, etwa dem Sommerfest des Instituts für Staatspolitik (IfS). Auch dort agierte info-direkt als eine Art Presseteam. Dass solch einer Berichterstattung eher die Bedeutung einer propagandistischen Affirmation zukommt, liegt nahe.
Dem eigenen Anspruch nach steht info-direkt für
„die Stärkung der unabhängig und überparteilichen Publizistik in Österreich, die Förderung der freien Meinungsäußerung und der pluralistischen Gesellschaft, sowie den Erhalt von Demokratie, Frieden, Religions- und Gewissensfreiheit.“
Wie sich die vermeintliche Überparteilichkeit gestaltet und welche Meinungen vertreten werden, zeigt sich bei einem Blick auf die Website. Zu den dort genannten Autoren zählen unter anderem Benedikt Kaiser, Volker Zierke, Martin Lichtmesz oder Philip Stein – allesamt Personen, die im Kontext neurechter Verlage wie dem Verlag Antaios oder dem Jungeuropa Verlag tätig sind. AfD-Politiker wie Mathias Helferich oder Dirk Spaniel steuern, wie zuletzt in der Septemberausgabe („Augen auf und Schluss mit den Lügen: Die Grenze brennt“), Gastbeiträge für das seit 2015 alle zwei Monate publizierte Printmagazin. Statt der behaupteten „differenzierte[n] und ganzheitliche[n] Betrachtung“ betreibt das Magazin rassistische Hetze gegen Geflüchtete bzw. Andersdenkende und verbreitet antisemitische Verschwörungserzählungen.
Das im gesamten deutschsprachigen Raum erhältliche Medium zielt auf die grenzübergreifende Vernetzung rechter bis rechtsextremer Organisationen und Parteien. Man ist einerseits an einem jugendlichen Layout und andererseits an professionell erscheinenden Nachrichtenformaten interessiert. Durch Berichte von Demonstrationen und anderweitigen Veranstaltungen – oftmals mit plakativen Titeln wie „So war die Demo gegen den Asyl-Wahnsinn wirklich!“ – wird der Interpretationsrahmen von Protestaktionen der eigenen Deutung zugeschnitten.
Filmkunstkollektiv
Dieses Ziel verfolgt auch der Dresdner Verein Filmkunstkollektiv. Getreu dem eigenen Motto „Wir filmen Widerstand“ begleitet man verschiedene Formen des Protestgeschehens und versucht auch kleinen Ereignissen, eine möglichst große Wirkkraft zu verleihen. „Wir dienen dem Widerstand aus vollem Herzen und sind keine blutleere PR-Agentur für jedermann“, heißt es auf der eigenen Website. Eng verbunden sind die Beteiligten, die neben ihrem Engagement für den Verein mit unverfänglichen Namen unter anderem für das Compact Magazin oder Auf1 tätig sind, mit der JA. Im März 2021 begleitete das Filmkunstkollektiv eine Gruppe von JA-Mitgliedern in den nordhessischen Reinhardswald, wo Hochglanzbilder einer Protestaktion gegen den Bau einer Windkraftanlage produziert wurden. Man filmte die Mitgereisten beim Bäume pflanzen gegen den vermeintlichen „Klimawahn“ und unterlegte dies später mit melancholischer Musik. Alles im Sinne einer möglichst beeindruckenden Außenwahrnehmung.
Die Art und Weise der Inszenierung erinnert stark an die Anfangszeit der Identitären Bewegung (IB). Das verwundert nicht, blicken die maßgeblichen Akteur:innen des Filmkunstkollektiv doch auf eine einschlägige Vergangenheit zurück und haben offenkundige Verbindungen zur IB bzw. zu IB-nahestehenden Strukturen wie Ein Prozent.
Den gewünschten Effekt, neben dem eigenen Zielpublikum eine breitere Masse zu erreichen, scheinen die Aktionen bisher allerdings nicht zu haben. Anfang November veröffentlichte der Gründer des Vereins, Simon Kaupert, auf Twitter einen Beitrag, in dem er die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation als „junge, hochpolitisierte & idealistische Menschen, die sich für ihre (!) Sache einsetzen“, lobte. Neben einer Betrachtung der Aktions-Strategie, von der man demzufolge lernen könne, stellt Kaupert in seinem Twitter-Thread auch verschwörungsideologisch anmutende Spekulationen über die vermeintlich wahren Verantwortlichen für die Proteste an.
Demnach sieht Kaupert hinter den Aktionen eine Arbeitsteilung zwischen Parteien und ihren „[a]usgelagerte[n] Partei-Fußtruppen”, die „parl. Erfolg und maximale außerparl. Nachwuchsgewinnung durch radikale Straßenaktionen” garantiere, ohne die jeweilige Partei negativ zu belasten. Einen Beweis für diese Behauptung liefert er nicht. Dennoch erweckt es den Anschein, dass sich der Aktivist ein derartiges Zusammenspiel zwischen der AfD und ihren Vorfeldorganisationen wünscht. Die Adaption linker Protestformen ist ein Kernelement neurechter Strategie.
Obwohl die Agitation des Filmkunstkollektiv bisher wenig erfolgreich zu sein scheint, ist die Rolle des Vereins aufgrund der engen Kontakte in die vorderen Reihen der AfD nicht zu unterschätzen. Der neue Bundesvorsitzende der JA, Hannes Gnauck, gab im Sommer bekannt, mehrere Hundert Euro seiner Abgeordnetenpauschale an Kauperts Verein gespendet zu haben. „Aktivisten brauchen Unterstützung aus dem Parlament!“, begründete er die Umleitung von Steuergeldern. Die Beisitzerin im Bundesvorstand, Anna Leisten, begleitete das Filmkunstkollektiv im Sommer auf einen Dreh in die Niederlanden zu sog. Bauernprotesten. Mit Björn Höcke erfreut man sich über einen weiteren prominenten Fürsprecher.
Ob AfD-Parteitag, Großdemonstrationen oder JA-Bundeskongress – die Aktivist:innen mit Kamera sind mittlerweile fester Bestandteil von Parteiveranstaltungen und setzen das Geschehen medial in Szene.
Die rechte „Gegenkultur“
Neben den Medienplattformen info-direkt und Filmkunstkollektiv gab man in Apolda auch dem Dresdner Verlag Hydra Comics und dem Computerspiel-Projekt Kvltgames die Möglichkeit, die eigenen Produkte auszustellen. Während es sich bei den ersten beiden um aktivistische Gruppen handelt, die der AfD als politisches Vorfeld dienen, arbeiten die letzten beiden an Produkten, die das rechte Lebensgefühl im Sinne einer popkulturellen „Gegenkultur“ modernisieren, insbesondere junge Menschen adressieren und ideologisch festigen sollen.
Hydra Comics
„Viele Künstler und Leser fühlen sich derzeit eingeengt und bevormundet.“
Dieser Situation versucht der Verlag Hydra Comics Abhilfe zu schaffen, indem er Geschichten erzählt, „die anderswo keinen Platz mehr finden“. Der Begriff ‚Hydra‘ hat seinen Ursprung in der griechischen Mythologie und bezeichnet ein vielköpfiges Wasserungeheuer, dem zwei neue Köpfe wachsen, sobald es einen verliert.
Der in Dresden ansässige Verlag wird vom Kampagnennetzwerk Ein Prozent um Philip Stein finanziert. Herausgeber ist der ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Nationalisten – die Jugendorganisation der rechtsextremen NPD – und Mitglied bei Ein Prozent Michael Schäfer. Neben den eigenen Comic-Heften vertreibt der Verlag einen Comic zum indizierten Videospiel Heimat Defender, zwei weitere Reihen anderer Verlage, jeweils eine Übersetzung aus Italien und der Ukraine und mehrere Kunstdrucke. Erhältlich sind Hydra Comics neben dem eigenen Online-Shop auch bei Ein Prozent, Compact sowie bei Antaios und Jungeuropa.
Ein Blick in die Hefte legt offen, welche Feindbilder bzw. Identifikationsfiguren der Ideologie der Beteiligten zugrunde liegen. Der Comic HORUS der ersten Hydra-Ausgabe entwickelt sich auf Grundlage eines einfachen Feind-Freund-Schemas (Carl Schmitt) und handelt von einer utopischen Gesellschaft auf dem Mond mit Namen Luna, die aus einem geheimen deutschen Raumfahrtprogramm während des Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Als Feinde der vermeintlich fortschrittlichen und besseren Gesellschaft werden „korrupte Eliten“, Medien, Politiker und „Konzernbosse“ ausgemacht. Demgegenüber kooperieren die autoritären Politiker und Autokraten Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping mit den Vertreter:innen von Luna. In anderen Ausgaben werden zentrale Figuren der sog. Neuen Rechten gehuldigt.
Die auf diese Weise betriebene popkulturelle Inszenierung extrem rechter Figuren und Erzählungen ist besonders problematisch, da der Verlag auch eine Comic-Reihe für Kinder – „und Erwachsene gleichermaßen“ – vertreibt. In den aus dem Ukrainischen übersetzten Legenden aus dem Hamsterland 1 und 2 stehe für Kinder die Abenteuergeschichte im Vordergrund, für Erwachsene lasse sich laut Hydra Comics mittels der Bilder noch eine Ebene erkennen, „in der eine weitere Geschichte erzählt wird“. Das rechtsextreme Compact Magazin empfiehlt die Comic-Reihe mit den Worten: „Statt Gender-Ideologie werden den kleinen Lesern wichtige Werte wie Mut, Kameradschaft und Treue vermittelt.“
Kvltgames
Während Hydra Comics sich nach außen eher unpolitisch inszeniert, betont Roland Moritz, Inhaber von Kvltgames, dass er in seinem Computerspiele-Projekt den eigenen politischen Aktivismus mit seiner „langjährigen Leidenschaft für Spieleentwicklung“ kombiniere. So sei es möglich, Computerspiele als zuvor brachliegendes Feld der Gegenkultur zu erschließen.
In einem Video des Filmkunstkollektivs berichtet Roland Moritz, dass sich Kvltgames anfangs aus zwei Personen zusammengesetzt habe: ihm selbst und einem nicht näher benannten Aktivisten RetroRebel. Ziel sei es, eine Spielefirma als Teil des alternativen „Mosaiks“ mit mehreren Entwicklern aufzubauen. Das Bild der „Mosaikrechte“ ist charakteristisch für neurechte Ideologie und Strategie und verdeutlicht den Ansatz, dass jede beteiligte Organisation bzw. jedes Projekt „die je eigene Aufgabe erfüllt“. Auch Kvltgames kommt demnach eine solche Aufgabe zuteil: Computerspiele bieten eine ideale Möglichkeit für ein alternatives Strukturprojekt, da sie verschiedene kreative Bereiche miteinander verbinden: Grafik, Musik, Schreiben. Mit Kvltgames sollen laut Moritz Kreativschaffende aus allen Bereichen zusammengebracht und das Feld der Gegenkultur gestärkt werden.
Der Inhaber von Kvltgames Roland Moritz war ein führender Aktivist der Identitären Bewegung Österreich. Die Identität von RetroRebel ist nicht bekannt, allerdings wird er auch auf der Website des Filmkunstkollektivs als Teammitglied gelistet. Verbindungen zwischen den hier dargelegten Vorfeldorganisationen zeigen sich immer wieder. Das Kvltgames Büro ist im rechtsextremen IB-Zentrum Castell Aurora in Steyregg bei Linz ansässig.
Kvltgames veröffentlichte im September 2020 sein erstes Videospiel Heimat Defender: Rebellion. Das Spiel im 80er-Jahre-Look, wurde von Ein Prozent finanziert und 2021 nach eigenen Angaben vom AfD-Politiker Roger Beckamp (MdB) durch ein monatliches Stipendium von 500 Euro über ein Jahr unterstützt. Björn Höcke bewarb das Spiel nach Angaben von belltower.news auf der Website von Kvltgames als tägliches Training zur Wachsamkeit für „Heimatverteidiger”:
„Heimat hat mächtige äußere und innere Gegner. Deswegen müssen wir Heimatverteidiger wachsam bleiben und wir müssen trainieren – täglich. Ich tue das mit Heimat Defender.”
Im Dezember 2020 wurde das Spiel kurz nach seiner Veröffentlichung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert.
Gegenwärtig läuft eine Crowdfunding Kampagne zur Realisierung des Nachfolger-Spiels Heimat Defender: Waldgang. Dabei handelt es sich um eine Bezugnahme auf das Buch „Der Waldgang“ von Ernst Jünger, einem der zentralen Vordenker der Neuen Rechten. In der Zwischenzeit organisiert Kvltgames in unregelmäßigen Abständen sog. patriotische Heimat-Jams, die der Vernetzung von Game-Entwickler:innen dienen.
Rechte Gegenkultur: Ein erfolgreiches Vorhaben?
Durch die popkulturelle Inszenierung von rechtem Gedankengut und Akteur:innen werden im Alltag von Menschen Referenzpunkte geschaffen, die diese an rechte Ideologie heranführen sowie bereits bestehende Ressentiments intensivieren können. Inwiefern dies mit Kvltgames und Hydra Comics gelingt, ist fraglich. Hydra Comics hat seit seinem Bestehen lediglich zwei eigene Comics veröffentlicht, Kvltgames nur ein Spiel, das wiederum nach kurzer Zeit indiziert wurde. Zudem wirken die Comics wenig kreativ und handwerklich kaum überzeugend, wodurch sie als rechtes Lifestyle-Produkt eher eine Nische bespielen und sich kaum breiter durchsetzen werden. Außerdem ist die den Produkten innenliegende ideologische Weltanschauung so offensichtlich, dass das Angebot in weiten Teilen nur für bereits ideologisierte Personen interessant erscheint.
Nichtsdestoweniger hat die AfD Interesse an der Förderung dieser Projekte, wie die finanzielle Unterstützung und Werbung einiger Parteimitglieder zeigen. Entkoppelt vom Wirkungskreis der einzelnen Waren tragen die Projekte dazu bei, dass das neurechte „Mosaik” wächst und größer erscheint, als es eigentlich ist. Dies wird durch die personellen Überschneidungen über die unterschiedlichen Projekte hinweg deutlich.
Fazit und Einordnung
„Die Partei und ihr Vorfeld“ – so lautet der Titel eines in neurechten Kreisen oft zitierten Buches, das im Laufe des Jahres im Verlag Antaios erschienen ist. Darin formuliert Autor Benedikt Kaiser „einen strategischen Ansatz für die AfD“, der die große Bedeutung des politischen Vorfeldes im bereits genannten „Mosaiks“ hervorhebt. Kaiser ist fester Bestandteil des Personenkreises um das Institut für Staatspolitik, betätigt sich als Redakteur der hauseigenen Zeitschrift Sezession und veröffentlicht im Verlag Antaios. Im rechtspopulistischen Nachrichtenorgan Tagesstimme schrieb man im Juni, Kaiser verstehe unter dem „Mosaik“ „nichts anderes als den Zusammenschluss ähnlicher Akteure, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten“ – ohne dabei „die innere Autonomie und Identität zu verlieren.“ Diese Interpretation vertritt auch der Verlag, wenn er das angestrebte Ziel der „Mosaikrechte[n]“ als nur zu erreichen beschreibt, „wenn jeder die eigene Aufgabe“ erfülle.”
Die Idee, die dem zugrunde liegt, ist keineswegs neu. Schon lange verfolgen neurechte Protagonist:innen das Ziel, ein Sammelbecken für viele verschiedene rechte Positionen zu schaffen und damit die Rechte insgesamt zu stärken. Die starke Rolle des politischen Vorfelds wird in diesem Zuge seit Jahren gefordert. „Das ist ja unser Reden, seit es die AfD gibt, dass das Vorfeld einbezogen werden muss“, betonte Götz Kubitschek in Apolda im Gespräch mit info-direkt.
Was seit Jahren stets kryptisch und hochtrabend klingen mag, lässt sich anhand der in Apolda anwesenden und hier vorgestellten Akteur:innen konkretisieren: Ob Medienaktivist:innen wie vom Filmkunstkollektiv oder von info-direkt, popkulturelle Angebote wie die Hydra Comics bzw. das Projekt Kvltgames sowie Publikationen wie die Sezession, Die Kehre oder die Nachwuchsakademien des IfS und Seminare der GegenUni: Jedes Projekt erfüllt im Rahmen des rechten „Mosaiks“ konkrete Aufgaben, die die Ebenen des Ganzen ergänzen und größer werden lassen.
Durch die suggerierte Angebotsvielfalt und die weitestgehend unauffälligen Projektnamen, soll nach außen der Eindruck einer breiten, jugendlichen und intellektuellen Bewegung vermittelt werden. In Wahrheit handelt es sich oftmals um dieselben Personen, die vor wenigen Jahren noch unter dem Label der IB oder anderen rechtsextremen Strukturen aufgetreten sind. Strategisch werden hiermit auch Unvereinbarkeitsbeschlüsse der AfD geschickt umgangen, ohne dass darüber öffentlich diskutiert würde – trotz der Tatsache, dass es sich offenkundig um Tarnorganisationen der IB handelt.
Ein elementarer Bestandteil des rechten „Mosaiks“ ist sein parlamentarischer Arm. Der JA bzw. der AfD kommen folglich wichtige Aufgaben im „Kultturkampf von rechts“ zuteil: „Man spielt sich Bälle und Gelder zu“, heißt es diesbezüglich auf der Website des Verlag Antaios. Das politische Vorfeld übt seit geraumer Zeit erheblichen Einfluss auf die Partei und ihre Mitglieder aus. Diese Zusammenarbeit wird nun selbstbewusst nach außen getragen, das hat sich nicht nur in Apolda gezeigt.
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