Statt der erwarteten nächsten Großdemonstration der Initiative „Querdenken“ mit mindestens 1.500 Teilnehmenden kamen zur ersten deutsch-polnischen Corona-Kritiker:innenkundgebung in der brandenburgischen Grenzstadt Frankfurt (Oder) nur mehrere Hundert Teilnehmende zusammen. Schuld daran war vermutlich nicht nur das kalte Wetter. Auch das Bühnenprogramm bot wenig Neues. Trotz der wiederholten Weigerung Masken zu tragen und Abstände einzuhalten hielt sich die Polizei auf beiden Seiten der Oder auffallend zurück.
In ganz Deutschland und Polen wurde für die Kundgebung geworben. Der Telegram-Gruppe für die Demonstration folgen weit über 1.000 Menschen und doch scheint es als konnte „Querdenken“ diesmal keine große Masse ganz in den Osten Deutschlands mobilisieren. Für ihre Versammlung wurde die Oderpromenade mit Sicht ins Nachbarland gewählt. Auf dem, von der Polizei abgesperrten Areal hätte es unter Einhaltung der vorgeschriebenen Abstände Platz für 1.500 gegeben. Gefüllt werden konnte dieser jedoch nicht einmal zur Hälfte. Die Polizei sprach später von etwa 800-1.000 Teilnehmende. Dennoch verbuchten die Veranstalter:innen den Tag als historisch. Zum ersten Mal hätten deutsche und polnische Demonstrant:innen gemeinsam gegen die von ihren Regierungen erlassenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert.
Am frühen Nachmittag zogen etwa 300 Menschen aus der polnischen Grenzstadt Słubice über die Brücke auf die deutsche Seite um sich dem Protest der „Querdenker“ anzuschließen. Viele trugen weiß-rote Nationalfahnen und Schilder, auf denen in Polnisch Covid19 als ungefährlich oder Lüge bezeichnet wurde. Federführend war dabei die Gruppe „Kontra“ aus Szczecin, die unterstützt wurde durch den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Pawel Tanajno, der später neben der Vorsitzenden der Impfgegner:innen-Initiative „STOP NOP“ Justyna Socha auf der Kundgebungsbühne sprechen sollte.
Für gute Stimmung sollte wieder einmal Nana Domena sorgen. Auf der Bühne vor der Musikschule versuchte der Moderator die Menge anzuheizen. Immer wieder wurde zu Frieden und Freiheit aufgerufen. Mit der „Freedom-Parade“ um „Captain Future“, die zweitweise auf der für den Autoverkehr gesperrten Brücke einen Techno-Rave veranstaltete, sollten die Menschen zum Tanzen animiert werden. Nicht alle dürften sich davon angesprochen gefüllt haben.
Unter den Teilnehmenden mischten sich auch diesmal wieder Rechtsextreme. Am Rand wurden Neonazis der „Kameradschaft Kommando Werwolf“ mit schwarz-weiß-roten Masken gesehen. Polnische, wie deutsche Hooligans mit eindeutigen Symbolen beteiligten sich ebenso an der Kundgebung, wie auch der ehemalige NPD-Politiker Maik Schneider. Im Februar 2021 entscheidet der Bundesgerichtshof über einen Revisionsantrag seiner Verurteilung wegen Brandstiftung auf eine geplante Geflüchtetenunterkunft. Mit dem Rechtsextremisten Sven Liebich und seiner Lebensgefährtin Caroline K., die noch am 7. November in Leipzig einen Journalisten angegriffen haben, reisten zwei weitere gewaltbereite Neonazis nach Frankfurt (Oder). Während ein Mann anwesende Pressevertrer:innen nach den „Nazis“ fragte, verteilte unterdessen das vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführte „Compact“-Magazin seine Publikationen an interessiertes Publikum.
Michael Ballweg war an diesem Tag der Hauptredner. Wieder einmal leugnete der führende Kopf von „Querdenken Stuttgart“ die Gefährlichkeit von Corona forderte eine Rückkehr zur Demokratie. Die öffentliche Wahrnehmung der „Querdenker“ als Coronaleugner:innen empfindet Ballweg als Hetze und macht dafür die Medien verantwortlich. Er kündigte an, in den nächsten Tagen im Internet eine Vorlage zu veröffentlichen, womit sich seine Anhänger:innen bei den Medienhäusern über die, in seinen Augen falschen Behauptungen beschweren können. Die Mehrzahl begrüßte die Ankündigung mit Jubel und „Lügenpresse“-Rufen. Andere wollten nicht warten und bedrängten auf der Versammlung Pressevertreter:innen, in denen sie Vertreter:innen angeblicher „System“-Medien ausmachten.
Die Polizei hielt sich insgesamt an dem Tag zurück. Zwar wurde ein Großaufgebot im polnischen Słubice und Frankfurt (Oder) aufgefahren. Beidseits des Flusses beschränkte man sich aber eher auf das regelmäßige Ansagen der Einhaltung der Hygeniemaßnahmen und dem geregelten Zu- und Abstrom von der Veranstaltungsfläche. Ankündigungen, wonach nicht mehr als 10 Personen sich Richtung Grenzbrücke bewegen dürfen wurden ignoriert und so ließen die Polizeibeamt:innen die Demonstrant:innen größtenteils passieren. Die weiträumigen Absperrungen hatten vor allem das Ziel Gegner:innen von der „Querdenken“-Kundgebung zu trennen.
Das örtliche antifaschistische Bündnis „Kein Ort für Nazis“ protestierte mit etwa 200 Menschen unter dem Motto „Maskenball statt Coronaleugner*innen“ gegen die verschwörungsideologische Kundgebung an der deutsch-polnischen Grenze. Mit einer Demonstration zogen die Teilnehmenden vom Bahnhofsvorplatz durch die Innenstadt bis in die Slubicer Straße. Sie zeigten sich dabei solidarisch mit den Menschen, die von der Corona-Krise wirklich betroffen sind: Risikogruppen, Krankenhauspersonal und Selbstständige.
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