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documenta15

3.1. People's Justice

3. Kunstwerke in der Kritik

Bei dem zu Beginn der documenta15 enthüllten Banner namens „People's Justice“ handelt es sich um eine Art Triptychon (dreiteiliges Bildwerk). Dominiert wird dieses durch eine Abbildung von Haji Mohamed Suharto, der als Diktator Indonesiens von 1967 bis 1998 für die Ermordung Hunderttausender Menschen verantwortlich war. Suharto befiehlt in der Darstellung eine Kampfeinheit, die aus einer dichtgeschlossene, lineare Kampfformation (Phalanx) mehrerer Panzerfahrzeuge besteht, aus der ein Trupp Soldaten hervorgeht. Die Helme der Soldaten sind mit den Namen verschiedener Geheimdienste versehen. Die Figur des „Mossad“ ist zusätzlich durch einen Davidstern gekennzeichnet und als einzige der Reihe mit einer Schweineschnauze markiert. Die Truppe wird offenbar von einer onanierenden Figur mit Keiler-Gesicht kommandiert, der ein rotes Barett trägt, auf dem das Logo der CIA prangt. Zwei teufelsartige Figuren beklatschen das Geschehen grinsend, wobei einer Figur eine Sprechblase zugewiesen ist, in der „Don’t worry, be happy“ steht. Gleichzeitig stehen beide jeweils auf den Köpfen einer Frau, eine der beiden hält ein Baby im Arm. Unmittelbar hinter den Teufelsfiguren befindet sich eine weitere Figur mit Raffzähnen und Schläfenlocken, die grinsend einen Hut trägt, auf dem eine Doppelsigrune abgebildet ist. Die Darstellung mit Raffzähnen und Schläfenlocken markiert die Figur als antisemitisch und erinnert an Stürmer-Karikaturen. Durch die Doppelsigrune als Zeichen der SS wird die Figur zudem mit der nationalsozialistischen Schutzstaffel gleichgesetzt und zum absolut Bösen erhoben. Die Judendarstellung bedient hiermit ein seit Jahrhunderten bestehendes und zugleich modernes antisemitisches Weltbild: Hinter dem mörderischen Weltgeschehen, hinter der westlichen Raffgier und manipulierenden Popkultur verbirgt sich angeblich „der Jude“, der stets mit dem Teufel im Bunde ist. Die Darstellung des Teufels in Verbindung mit dem Baby verweist zudem auf das antisemitische Motiv des Teufels als „Kindermörder“.


Aufnahme des beschriebenen Ausschnitts des Banners People's Justice.
Screenshot aus ZDF Video (Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/documenta-antisemitismus-skandal-kommentar-100.html)

Die Welt in Taring Padis „People’s Justice“ erscheint zweigeteilt in Gut und Böse, wodurch sich in der Gesamtbetrachtung des Bildes ein weiterer Hinweis auf die der antisemitischen Darstellung zugrundeliegende Ideologie ergibt. Es wird erkennbar, dass auf der linken Seite des Bildes die personifizierte Raffgier einer romantisch-simplifizierenden Kapitalismuskritik zutage tritt, die die Welt in „raffendes“ und „schaffendes“ Kapital teilt. Während links eine Ansammlung von Militärs und geldbesessenen Kapitalist:innen dargestellt ist, findet sich auf der rechten Seite das fröhliche Volk, das organische Landwirtschaft betreibt und im scheinbaren Einklang mit der Natur lebt. Damit greift das Banner ein klassisches Motiv des modernen Antisemitismus auf, das abstrakte Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse bestimmten Personengruppen zuschreibt und auf diese reduziert. „Antiimperialistische, antikapitalistische Kritik wird dort mit dem Judentum in Verbindung gebracht. Die Juden sind die ‚Kapitalistenschweine‘“, äußerte sich Miki Lazar von der Jüdischen Gemeinde Kassel dazu.


Gesamtaufnahme des Banners People's Justice.
Screenshot aus HNA Video (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=R9NuvuDMK4Q&t=32s)

Das Werk wurde bei der documenta nicht zum ersten Mal ausgestellt. Es ist bereits 20 Jahre alt und war schon an mehreren Standorten, zuletzt 2019 in China, zu sehen. Damit hätte bekannt sein müssen, was an einem der Hauptausstellungsorte der documenta15 in Übergröße präsentiert werden würde. Die Anbringung der Arbeit unmittelbar vor Eröffnung der Ausstellung sei durch Lagerschäden bedingt gewesen, hieß es seitens der documenta-Leitung. Wenig später wurde durch den zunehmenden öffentlichen Druck und vielseitig geäußerter Kritik das Banner zunächst mit schwarzen Stoffbahnen verhüllt und schließlich ganz abgebaut.

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